Kavallerie-Western waren immer eine besondere Spezies der Gattung, besonders geeignet, lieb gewonnene Tugenden des aufrechten, kampfbereiten Helden in den Mittelpunkt des Geschehens zu rücken. Erst Filme wie „Das Wiegenlied vom Totschlag“ (fd 17 234), die man heute Spätwestern nennt, waren dann in der Lage, differenzierter hinzusehen. „Feinde – Hostiles“ gehört einer relativ seltenen Sub-Kategorie an, die den Kriegshelden nach Beendigung der Kampfhandlungen aufs Korn nimmt: Rechtfertigungsfilme, die meist nicht davon abließen, ihre Hauptfiguren zu idealisieren, und deshalb das geschichtsklitternde Porträt aufrecht hielten, das Hollywood jahrzehntelang von den Indianerkriegen verbreitet hat. Der von Scott Cooper inszenierte Film geht trotz seiner starken Anlehnung an solche Vorbilder aber andere Wege.
Captain Joe Blocker (Christian Bale) ist ein Indianerhasser, dessen Bluttaten im Kampf gegen die amerikanische Urbevölkerung ihm seinen militärischen Rang verschafft haben. Er hat unzählige „Rothäute“ brutal hingemetzelt und ist auch heute noch stolz darauf. Dabei ist Blocker kein rabiater, ungebildeter Klotz. Er besitzt zivilisierte Umgangsformen, pflegt kameradschaftlichen Kontakt mit seinen Untergebenen und liest in stillen Stunden die Schriften des römischen Imperators Caesar, wohlgemerkt im lateinischen Original.
Als ihm sein Vorgesetzter den Befehl erteilt, den an Krebs erkrankten, sterbenden Häuptling eines Indianerstamms, der mit seiner ganzen Familie in einem Fort der U.S. Kavallerie hinter Gittern sitzt, aus humanitären Gründen wohlbehalten in dessen Heimat zu geleiten, widersetzt sich Blocker mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln. Anteilnahme am Schicksal eines „Roten“ ist für ihn eine undenkbare und unangemessene Mildtätigkeit, gegen die er auch dann noch aufbegehrt, als ihm eine Urkunde des US-Präsidenten vorgehalten wird, der die Repatriierung des Häuptlings und seiner Familie angeordnet hat. Als guter Soldat folgt er schließlich aber dem Befehl.
Es steht nicht im Widerspruch zu Blockers Charakter, dass er Mitleid für das Schicksal einer jungen Frau aufbringt, die bei einem Indianerüberfall auf ihre Farm Mann und Kinder verloren hat und nun geistig verwirrt in der Prärie herumirrt. Obwohl er diese Ablenkung von seiner widerwillig übernommenen Aufgabe, umlauert von Feinden jeden Kalibers, wirklich nicht brauchen kann, nimmt er sich der Frau an, weil er weiß, dass sie, auf sich allein gestellt, dem sicheren Tod entgegensieht.
Am Anfang des Films steht ein Zitat des umstrittenen englischen Schriftstellers D.H. Lawrence: „Das Wesen der amerikanischen Seele ist hart, abgekapselt, stoisch und mörderisch“ – ein Urteil, dem der Film bis zu seinem Ende nicht widerspricht. „Feinde – Hostiles“ geht aber einen Schritt weiter als die meisten Western. Er lässt die lügnerische Idealisierung der Vergangenheit, die vor Filmemachern wie Sam Peckinpah und Monte Hellman nur selten einer differenzierteren Betrachtung wich, in eine sich langsam entwickelnde Parabel über die Kompliziertheit der menschlichen Seele umschlagen, in der Brutalität und Empfindsamkeit nebeneinander geduldet werden. Das Ende des Films kann sehr wohl als – bewusste oder unbewusste – Antithese zu der berühmten, damals viel diskutierten Schlusseinstellung von John Fords „Der schwarze Falke“ (fd 5299) verstanden werden, in der John Wayne, der ebenfalls zwielichtige Held jenes Films, auf sich allein gestellt zurückbleibt.
Obwohl in seiner filmischen Struktur, in der Darstellung und in der Opulenz der Fotografie durchaus den Western aus der Glanzzeit des Genres verwandt, ist „Feinde – Hostiles“ von den gelegentlichen restaurativen Versuchen, die Gattung mit all ihren Klischees wiederzubeleben, weit entfernt. Der Autor und Regisseur Scott Cooper öffnet die in ihren Grundzügen durchaus traditionelle Geschichte für die Sensibilitäten heutiger Kinogänger. Themen wie Schuld, Bewältigung und Erlösung werden zu unterschwelligen Handlungsträgern. Letztlich kommt „Feinde – Hostiles“ der Generation nach den Kriegen in Irak und Afghanistan näher, als von einem Western zu erwarten gewesen wäre.