Geschichten vom Kübelkind
Drama | BR Deutschland 1970 | 204 Minuten
Regie: Edgar Reitz
Filmdaten
- Produktionsland
- BR Deutschland
- Produktionsjahr
- 1970
- Produktionsfirma
- Edgar Reitz Prod.
- Regie
- Edgar Reitz · Ula Stöckl
- Buch
- Edgar Reitz · Ula Stöckl
- Musik
- Ekkehart Kühn
- Darsteller
- Kristine de Loup (Kübelkind) · Bruno Bendel · Alf Brustellin · Ilse Brustellin · Hans Heinrich Brustellin
- Länge
- 204 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 16
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 16.
- Genre
- Drama | Episodenfilm | Satire
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Heimkino
Erschienen als Special Edition mit einer BD und 2 DVDs. Die Extras umfassen u.a. den erhellenden Dokumentarfilm zum Projekt "Der Film verlässt das Kino: Vom Kübelkind-Experiment und anderen Utopien" von Robert Fischer (90 Min.) sowie ein 52-seitiges Booklet mit analytischen Texten. Die Edition ist mit dem Silberling 2019 ausgezeichnet.
Ein Blick zurück. Im Oberhausener Manifest verkündeten 1961 junge Filmemacher, unter anderem Alexander Kluge, Edgar Reitz, Haro Senft und Peter Schamoni, den neuen deutschen Film schaffen zu wollen: „Der alte Film ist tot. Wir glauben an den neuen!“ Doch der alte Film war nicht tot. Die alten Mechanismen der Filmindustrie funktionierten weiterhin, und nach der anfänglichen Euphorie über kleinere Erfolge des jungen Kinos machte sich bald Depression breit. Bei Edgar Reitz und Ula Stöckl aber war es auch Wut. Sie verspürten 1969 keine Lust, einen 90-minütigen Spielfilm zu drehen, der dann keinen Verleih finden würde. Wenn uns die etablierte Industrie nicht will, so ihre Überlegung, dann müssen wir uns auf anderen Wegen Gehör verschaffen.
Wider die bürgerlichen Vorstellungen vom guten Geschmack
So entstand die Idee des Kübelkinds, einer Person, die nicht in diese Welt passt, die aneckt, die Nein sagt. Edgar Reitz hatte noch etwas Geld vom Bundesfilmpreis für „Cardillac“ (1969). Zusammen mit Ula Stöckl begannen er Filme zu drehen, die in kein Schema passten, keinen Regeln folgten und schon gar nicht irgendwelchen bürgerlichen Vorstellungen vom guten Geschmack entsprachen. So entstand ein im besten Sinne anarchistisches Kino; 22 Episoden in unterschiedlicher Länge von 1’06 bis 25’30 Minuten. Gedreht wurde mit der 16 mm-Ausrüstung von Edgar Reitz, geschnitten in seinem Schneideraum, Ula Stöckl schrieb die Skripts. Freunde wurden als Darsteller aufs Set eingeladen.
Im Mittelpunkt aller Geschichten stand das Kübelkind Kristine de Loup, die zuvor eine Hauptrolle in Stöckls „Neun Leben hat die Katze“ spielte. Ein rotes Nachthemd, rote Strümpfe und Schuhe und eine schwarze Perücke, die an Anna Karina in Godards „Die Geschichte der Nana S.“ (1962) erinnerte. Das war ihr ganzes Outfit. Gezeigt wurden die Geschichten à la carte in einer Münchner Kneipe. Das war ein Abschied von gestern, ein Bruch mit dem traditionellen Kino.
(Der Text ist ein Auszug aus Wilfried Reicharts Artikel "Geschichten vom Küblekind" anlässlich einer Wiederaufführung im Rahmen einer Kino-Kneipentour. Den ganzen Artikel findet sich hier).