Mute
Science-Fiction | Großbritannien/Deutschland 2018 | 126 Minuten
Regie: Duncan Jones
Filmdaten
- Originaltitel
- MUTE
- Produktionsland
- Großbritannien/Deutschland
- Produktionsjahr
- 2018
- Produktionsfirma
- Liberty Films UK/Studio Babelsberg
- Regie
- Duncan Jones
- Buch
- Duncan Jones · Michael Robert Johnson
- Kamera
- Gary Shaw
- Musik
- Clint Mansell
- Schnitt
- Barrett Heathcote · Laura Jennings
- Darsteller
- Levi Eisenblätter (Leo als Junge) · Alexander Skarsgård (Leo als Erwachsener) · Caroline Peters (Leos Mutter) · Paul Rudd (Cactus Bill) · Seyneb Saleh (Naadirah)
- Länge
- 126 Minuten
- Kinostart
- -
- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert ab 16.
- Genre
- Science-Fiction | Thriller
- Externe Links
- IMDb | TMDB | JustWatch
Ein Future-noir-Thriller von Duncan Jones.
Am Anfang schwebt ein Körper im Wasser, gezeigt von unten, erleuchtet vom Tageslicht. So oder ähnlich beginnen viele Erzählungen von der Zukunft – man denke etwa an „Ghost in the Shell“: mit der Geburt des neuen Menschen. Aber bald mischt sich Rotes ins Blau des Sees. Leo blutet, das Aufgehen im flüssigen Element erweist sich hinterhältig als Todesfantasie.
Leo gehört zu einer Familie von Amish; die Segnungen der modernen Technologie weisen diese zurück: Gott werde sich um Leo kümmern, sagen sie den Ärzten. Doch die Schraube des kleinen Bootes, aus dem er fiel, hat den Hals von Leo so stark verletzt, dass er nie mehr wird sprechen können.
Wie es den Amish-Jungen nun ausgerechnet nach Berlin verschlägt, das im Jahr 2052 (immer) noch ein Sammelbecken ist für die Bizarren und Wilden dieser Welt; wie sich der mittlerweile erwachsene Leo im Club „Foreign Dreams“ als Barmann einschmuggeln konnte; wie er sich verlieben konnte in die blauhaarige Naadirah, gespielt von der Aalenerin Seyneb Saleh als lebenslustige, lebenshungrige Frau voller Geheimnisse, und Naadirah sich in ihn – es spielt keine Rolle. Nur für die, die ihn beschimpfen als Freak, für die Finsteren unter all den bunten Menschen, die er kennenlernen muss auf seiner Suche, als Naadirah eines Tages verschwindet. Gebeugt schlurft Alexander Skarsgård als Leo durch dieses Berlin, wie einer, der seine langen Glieder wie eine Last mit sich herumschleppt. Doch Leo kann auch anders, kann blitzschnell zuschnappen, nutzt seinen Körper als Ventil für all die extremen Gefühle, die er mit Worten nicht ausdrücken kann. Das sind schlechte Voraussetzungen in einer Welt, die ihn permanent überfordert.
Regisseur und Co-Autor Duncan Jones („Moon“, „Source Code“) arbeitete jahrelang an dem Stoff, ging mit dem Skript hausieren und landete schließlich damit bei Netflix. Gleichwohl arbeitet er mit großen, kinotauglichen Bildern, mit wuchernden, bei Nacht neon-leuchtenden Stadtpanoramen, die längst zum Standard-Arsenal des future noir gehören. Doch bei Tage zeigt Gavin Bocquet, der auch Produktionsdesigner der „Star Wars“-Prequels ist, eine bleiche Großstadt, überzogen höchstens von einer sanften Schicht des Futuristisch-Digitalen. Selten war ja die Eroberung des Weltalls so staubig und dreckverschmiert wie in Jones‘ Erstlingswerk „Moon“ von 2009, dessen Ereignisse zur gleichen Zeit spielen wie die seines neuen Films.
Doch so wie das Realistische und das Spekulative einander hier begegnen, so gibt es eine zweite Geschichte neben der ersten: Paul Rudd spielt Cactus Bill, einen Deserteur der US-Army, die Jahrzehnte in der Zukunft immer noch durch den Nahen Osten streift. Gemeinsam mit einem Kameraden nutzt Cactus seine Fähigkeiten als Sanitäter, um die Schergen des Clubbesitzers Maksim zusammenzuflicken. Der hat ihm dafür neue Papiere versprochen, damit der Flüchtige Berlin endlich verlassen kann mit seiner Tochter, die halb bei ihrer Nanny und halb bei Prostituierten in deren Freierpausen aufwächst. Cactus ist liebender Vater und Großkotz, ein sensibler Rüpel, der Gutes tun kann und unendlich Böses. Der exaltierte, nervöse, fahrige, schlampige Cactus wütet sich durch die Stadt, in der Leo umherirrt.
Die Suche des einen soll hinausführen aus alldem, die des anderen dreht sich scheinbar im Kreise. Doch immer wieder findet Leo auf bisweilen unglaubwürdige Weise genau dann, wenn er zu verzweifeln droht, eine Notiz, eine merkwürdige Nachricht, einen Namen. Mag sein, dass sich diese beiden Suchen ein wenig zu lange und ein wenig zu ziellos dahinziehen. Doch Jones führt sie schließlich auf gewaltvolle Weise zusammen, schiebt seine Erzählung auf einen Abhang zu und lässt sie los, bis sich zeigt: Die Zeit war gut investiert. Und der sensible Rüpel entpuppt sich als so heimliches wie unheimliches Zentrum einer Geschichte von Elternschaft und Kindheit. Gewidmet hat Duncan Jones den Film seinem Vater David Bowie und seiner Nanny Marion Skene, die ihre Millionenerbschaft von Bowie nur ein Jahr lang genießen konnte, bevor sie selbst ebenfalls verstarb.