Klotzen, nicht Kleckern, lautet die Devise bei der seit Jahren erwarteten Realverfilmung von Michael Endes Kinderbuch „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“. Dass es letztlich 60 Jahre dauerte, um diesen Roman für die Leinwand aufzubereiten, hat viele Gründe. Zum einen haben die unwahrscheinlich sympathischen, charmanten und liebenswerten Figuren der Augsburger Puppenkiste sowohl in der Schwarz-weiß-Fassung von Anfang der 1960er-Jahre als auch in der farbigen Version Ende der 1970er-Jahre die Messlatte sehr hoch gelegt. Zum anderen wusste man aus den Umsetzungen von „Momo“ (fd 25 711) und „Die unendliche Geschichte“ (fd 24 516), wie kompliziert es ist, geeignete Bilder für die sehr speziellen Fantasiewelten zu finden und gleichzeitig den Ansprüchen des 1995 verstorbenen Autors sowie der Verwalter seines Erbes gerecht zu werden. Es ist in erster Linie der Hartnäckigkeit und Ausdauer des Produzenten Christian Becker zu verdanken, dass dieses mehr als 25 Millionen Euro schwere Projekt, einer der teuersten deutschen Kinofilme aller Zeiten, jetzt doch realisiert werden konnte. Bemerkenswert ist dabei, dass das üppige Budget ohne Hilfe aus den USA, wie ursprünglich eigentlich geplant, gestemmt werden konnte. Das führte unter anderem dazu, dass die ursprünglich avisierte internationale Besetzung einem deutschen Ensemble wich, das für Authentizität, Glaubwürdigkeit und unmittelbare Nähe zur Vorlage steht. Inszeniert wurde der Film von Dennis Gansel, einem alten Weggefährten von Christian Becker. Gemeinsam haben sie schon viele ehrgeizige Werke realisiert, etwa „Napola“ (fd 36 860) oder „Die Welle“ (fd 38 615). Beide haben sicherlich einen großen Anteil an der gelungenen Umsetzung. Doch der Mann, der im Hintergrund die Fäden zog, ist Michael Bully Herbig. Er überwachte als „Creative Producer“ das Gesamtkonzept des Films. Im Team wurden überdies einige Schlüsselpositionen mit Menschen besetzt, die mit Herbig erfolgreich an „Der Schuh des Manitu“ (fd 34 974) und dessen Nachfolgern gearbeitet haben, darunter der kongeniale Maskenbildner Georg Korpás und der nicht weniger großartige Komponist Ralf Wengenmayr. Der bringt hier das Kunststück fertig, den Ohrwurm „Eine Insel mit zwei Bergen“, der sich leitmotivisch durch den Film zieht, neu zu interpretieren und für nahezu sämtliche Gemütslagen musikalisch auszugestalten. Überdies drückt Herbig dem Werk als Synchronsprecher für das Drachen-Nilpferd-Mischlingswesen Nepomuk seinen Stempel auf, der so gerne Feuer speien und furchteinflößend wirken würde. Die Hauptprotagonisten sind indes andere. Die bekannte Geschichte dreht sich um das Findelkind Jim Knopf, das mit Lukas, dem Lokomotivführer eines Tages von Lummerland aufbricht, um Abenteuer zu erleben, eine schöne Prinzessin zu suchen, vor allem aber, um sich selbst zu finden. Was das Naturtalent Solomon Gordon als Jim und Henning Baum als Lukas hier darbieten, hat das Etikett hervorragend verdient. Der mächtige Baum mit seiner sonoren Stimme, der in bester Bud-Spencer-Manier auch mal austeilen kann, ist der Fels in der Brandung, eine Ausgeburt an Optimismus, überbordender Lebensfreude und tiefer Nächstenliebe. Er ist schlichtweg ein Traum von einem Ersatzvater. der Michael Endes Philosophie vom kulturübergreifenden Miteinander, die in unserer realen Welt immer mehr zur Utopie mutiert, auf bestmögliche Weise verkörpert. Auch die weiteren Lummerland-Bewohner, Uwe Ochsenknechts schusseliger König Alfons, Annette Frier als mütterlich-herzliche Frau Waas und Christoph Maria Herbst als penibler Anzugträger Herr Ärmel fügen sich perfekt in die idyllisch-heile, lichtdurchflutete, künstlich-verklärende Märklin-Eisenbahn-Welt ein. Aber, und das ist der eigentliche Clou an dieser zeitgenössischen „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“-Variante: der Film hat Schauwerte zu bieten. Grandiose Kinobilder aus der Wüste, in der der Scheinriese Tur Tur (kaum zu erkennen: Milan Peschel) haust, aber auch die imposante asiatisch angehauchte Metropole von Mandala oder die düstere Drachenstadt; hier wurde auf visueller Ebene wahrlich gezaubert. Trotz aller im Computer generierter Effekte und topmoderner Tricktechnik schaffen es die Filmemacher fast mühelos, stets bei der Geschichte und ihren skurril-menschlichen Charakteren zu bleiben. So halten sich kurioses Abenteuer und feine Figurenzeichnung, atemraubende Action und das gemeinsame Suchen nach Identität in etwa die Waage. Das hätte vermutlich auch Michael Ende gefallen.