Es gibt einen Moment in der Inszenierung von Ryan Coogler, der die eigentümliche Spannung und Faszination von „Black Panther“ auf den Punkt bringt: der Protagonist T’Challa begibt sich auf eine spirituelle Reise, eine Art Initiationsritus für den neuen König von Wakanda, der ihn im Jenseits in Kontakt mit seinen Vorfahren bringt. Innerhalb von Sekunden flimmern vor seinem inneren Auge Erinnerungen an seinen Vater vorbei: Eine Begegnung im Tempel, als T’Challa noch ein kleiner Junge war. Und eine andere, Jahrzehnte später, kurz vor der Rede des Vaters bei den Vereinten Nationen; ein intimer Moment zwischen zwei Politikern in schlichten Anzügen. Diese Sekunden erzählen eine Geschichte von Tradition und Moderne, aber auch eine der Maskerade.
In dem Land Wakanda, so meint der Rest der Welt, lebt eine rückständige Agrargesellschaft. Doch sorgsam vor den Augen des Auslands verborgen, brodelt in Wahrheit mitten in Afrika eine hypermoderne Metropole, geschützt, erbaut und angetrieben von dem sagenumwobenen Metall Vibranium, das einst durch einen Asteroideneinschlag ins Land kam. So beherbergen die Glaswolkenkratzer Wakandas die fortschrittlichste Technologie der Welt, während das Oberhaupt dieses Landes seine Kräfte einem merkwürdigen Extrakt verdankt, der von einer Gottheit in Gestalt eines Panthers herrührt.
Doch keine der beiden Sphären, weder Wissenschaft noch Spiritualität, herrschen alleine über Wakanda. Es ist dieses Schillern zwischen Mythos und Aufklärung, zwischen Archaik und Science Fiction im engeren Sinne des Begriffs, das der Titelfigur aus dem Marvel-Universum seine besondere Position zwischen all den mehr oder weniger gelungenen Experimenten von Hulk, Captain America und dem nach Kräften säkularisierten Gott Thor verleiht.
Man kann das „Afrofuturismus“ nennen und gleichzeitig auf die unübersichtliche globalisierte Gemengelage verweisen, in der hoch budgetierte Filme entstehen; hier jedenfalls ist mehr von Südkorea und Argentinien zu sehen als von Afrika. Gleichwohl rennen Ziegenherden in beeindruckenden Panoramen durch die Steppe, und zwischen den Basthütten außerhalb der großen Stadt und in den Höhlen der Berge tummeln sich Menschen, gekleidet in prächtige Farben, Formen und Verzierungen, entworfen von der Kostümdesignerin Ruth E. Carter, die eine aufwändige Recherche zu den Traditionen afrikanischer Stammeskleidung betrieben hat. Diese in der realen Welt begründete Ästhetik prallt auf ein gänzlich ausgedachtes Wunderland, ein Erzeugnis von Fantasie und Computer, bläulich schimmernd vom Wundermetall Vibranium, hell und leuchtend und riesig und doch viel wärmer als die Neonlichter der südkoreanischen Stadt Busan, wo eine hysterische Verfolgungsjagd inszeniert wird.
„Black Panther“ ist mehr noch als die anderen Erzählungen aus dem Marvel-Kosmos ein Film von Kulisse und Umgebung. Doch der Regisseur Ryan Coogler und sein Co-Autor Joe Robert Cole haben viel Zeit und Sorgfalt investiert, um nicht nur Hintergründe zu erschaffen, vor denen sich der Plot entfaltet, sondern eine konkrete Geschichte zu erzählen, in der sich die Figuren positionieren. Coogler, der schon in „Creed“ (fd 43 661) und vor allem in „Nächster Halt: Fruitvale Station“ (fd 42 326) afroamerikanische Erfahrungen verarbeitet hat, weiß um die prallen Bilder, die eine Megacity und Ethno-Prunk bereithalten. Aber sein Film ist nicht weniger intensiv, wenn es um die Lebenslügen der Isolation geht. Weil angeblich Neid und Krieg drohen, wenn jemand außerhalb Wakandas vom Vibranium erfahren würde, igeln sich die Einwohner seit jeher ein. Doch dann kommt einer, der das Leid und die Gewalt erfahren hat, die Dunkelhäutigen jenseits von Wakanda angetan wird, und fordert all das heraus, was bislang Stabilität und Frieden garantierte.
Was als Jagd nach einem Stück Vibranium beginnt, das aus einem Londoner Museum gestohlen wurde, entpuppt sich als fundamentale Herausforderung für die Ordnung Wakandas und die Herrschaft von T’Challa, der gerade erst den Thron bestiegen hat. Die letzte Rede seines Vaters, an die er sich in Trance erinnert, mündet in einem Bombenanschlag, der dem alten König das Leben kostete. Der Strippenzieher hinter dem Diebstahl will mit Gewalt an den furchtbaren Preis erinnern, den Andere für Wakandas Fortschrittlichkeit bezahlen.
Doch die komplexe politische Erzählung, die sich zunächst anzubahnen scheint, säuft dann im bekannten Schlachtenpathos für Land und Leute und die Heimat ab. Wakanda scheint eine Chiffre zu sein, für die es sich zu sterben lohnt. Die Inszenierung wagt die Herrschafts- und Unterdrückungssysteme nicht anzutasten, die sich im Ritual verbergen. Dabei verfügt der Film über so wunderbare Figuren wie T‘Challas Schwester Shuri, ein Top-Ingenieurin und Gadget-Queen, die der Tradition auch einmal im Wortsinne den Mittelfinger zeigt.