Der US-amerikanischen Künstler und Filmemacher Julian Schnabel (Jahrgang 1951) verfügt über einen Lebenslauf, wie ihn sich viele Kreative wohl wünschen würden. Schon vor seinem 30. Geburtstag zählte er zu den bekanntesten und erfolgreichsten Malern seiner Zeit. Das Ausnahmetalent scheint in den 1980er-Jahren für die Kunstszene in New York etwas Ähnliches gewesen zu sein wie Jim Jarmusch oder Nick Zedd für das unabhängige Filmemachen. Schon seine erste Ausstellung im Jahr 1979 brachte Schnabel den Durchbruch. Der auch in der Statur beeindruckende Mann entwickelte eine großflächige Art des malerischen Ausdrucks, den die Kunstkritiker dem Neo-Expressionismus zuordneten. Schnabels „plate paintings“, riesige Bilder auf zerbrochenen Keramikteilen, wurden schnell bekannt und beliebt. Kontroverse Kritik an seiner Person wie seiner Kunst ließ ebenfalls nicht lange auf sich warten.
Doch genau diese lässt der Dokumentarist Pappi Corsicato aus. „Julian Schnabel: A Private Portrait“ will ein klassisches Künstlerporträt sein, das seinem Objekt zwar recht nahe kommt, was nicht verwundert, da Schnabel und Corsicato befreundet sind, das aber nicht den Mut aufbringt, auch mal auf Abstand zu gehen. Filmisch ist von Schnabels Drang nach expressiver Größe nichts zu spüren.
Stattdessen werden schwarz-weiße Filmaufnahmen der Familie aus Schnabels Privatarchiv mit Ausschnitten aus seinen Filmen, persönlichen Fotos und kurzen Passagen verbunden, in denen Schauspieler, Regisseure, Kunstsammler, Galeristen und andere berühmte Künstler ihre Eindrücke und Wahrnehmungen über den Freund und Weggefährten sowie dessen Kunst preisgeben. Unter den illustren Gesprächspartnern finden sich Laurie Anderson, Willem Dafoe, Emmanuelle Seigner, Jeff Koons oder Al Pacino. Auch Schnabels Kinder Stella und Vito kommen häufig zu Wort. Allesamt wissen sie ausschließlich Positives über den wuchtigen Mann zu berichten.
Schnabel, dessen Persönlichkeit wie Präsenz seinen Werken nicht nachsteht, hat sich auch filmisch einen Namen gemacht. Seine biografisch inspirierten Filme porträtieren allesamt männliche Künstler wie in „Basquiat“
(fd 32 274) den Graffiti-Künstler Jean-Michel Basquiat, in „Before Night Falls“
(fd 36 331) den kubanischen Schriftsteller Reinaldo Arenas und in „Schmetterling und Taucherglocke
(fd 38 648) Jean-Dominique Bauby, den Herausgeber der Zeitschrift „Elle“.
Schnabel schafft es in seinen eigenen filmischen Porträts durchaus, für die Essenz seiner Protagonisten eine individuelle Filmsprache zu entwickeln und das jeweilige Werk als spezifischen Ausdruck des Porträtierten erscheinen zu lassen. Corsicato hingegen scheitert an Schnabel. Die Inszenierung vermag Schnabels visuelle Wucht und dessen künstlerische Energien in der Malerei wie beim Filmschaffen nicht auf adäquate Weise auf die Leinwand zu bannen. Denn Schnabel scheint seine Kunstwerke durchgängig zu beherrschen. Trotz der großflächigen Materialien steht er als Maler mitten in seinen Bildern oder lässt sich mit einem Kran hinaufhieven, um ihnen Herr zu werden. Das Zusammenstellen von privaten Filmaufnahmen und Interviewszenen genügt jedoch nicht, um einen derart expressiven Künstler mit der Kamera auf den Leib zu rücken. Bei der irgendwie immer überlebensgroßen Künstler-Figur reicht „A Private Portrait“ einfach nicht aus.