Dokumentarfilm über eine niederländische Lehrerin und ihre Grundschulklasse voller Flüchtlingskinder. In zeitgemäßer Direct-Cinema-Manier beobachtet er sie und ihre Schüler ein Jahr lang durchgängig auf Augenhöhe, meist im Klassenzimmer, gelegentlich auf dem Pausenhof oder in der Sporthalle. Anrührend und einfühlsam registriert er dabei mit großem Gespür für Details Konflikte, Gefühle und Herausforderungen, die sich unter der ebenso liebevollen wie strengen Anleitung der Lehrerin ergeben, wobei die Schüler häufig mit ihren Traumata oder denen ihrer Eltern zu kämpfen haben.
- Sehenswert ab 12.
Miss Kiet's Children
Dokumentarfilm | Niederlande 2016 | 114 Minuten
Regie: Petra Lataster-Czisch
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Filmdaten
- Originaltitel
- DE KINDEREN VAN JUF KIET
- Produktionsland
- Niederlande
- Produktionsjahr
- 2016
- Produktionsfirma
- L&F Prod./KRO-NCRV
- Regie
- Petra Lataster-Czisch · Peter Lataster
- Buch
- Petra Lataster-Czisch
- Kamera
- Peter Lataster
- Schnitt
- Mario Steenbergen
- Länge
- 114 Minuten
- Kinostart
- 07.12.2017
- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert ab 12.
- Genre
- Dokumentarfilm
- Externe Links
- IMDb | TMDB
"Direct Cinema" um eine niederländische Lehrerin und ihre Flüchtlingskinder
Diskussion
Die Lehrerin ist alleine im Klassenzimmer. Konzentriert ordnet sie Materialien, schiebt die Schubladen unter den niedrigen Tischen auf und zu. In „Miss Kiet’s Children“ zeigen die Regisseurin Petra Lataster-Czisch und ihr Kameramann Peter Lataster den Arbeitsalltag der Lehrerin Miss Kiet an einer niederländischen Grundschule in einem kleinen Dorf – und noch viel mehr.
Der Film, der zu Beginn noch ein Porträt der knapp 60-jährigen Pädagogin werden könnte, nimmt bald die Perspektive von Miss Kiets Kindern ein. Die Kamera bleibt auf Höhe der Pulte und auf Augenhöhe mit den Sechs- bis etwa Zehnjährigen; das Gesicht der Lehrerin ist oft nur noch dann zu sehen, wenn sie sich neben die Kinder hockt. Ihre Klasse ist keine normale Klasse. Die Kinder kommen aus Flüchtlingsfamilien, auch aus Kriegsgebieten, einige aus Syrien. Sie sprechen nicht niederländisch, lernen also neben Lesen, Schreiben, Rechnen auch eine neue Sprache, wobei auch das Spielen, ein soziales Miteinander, nicht zu kurz kommt.
In der Pause hält die achtjährige Haya die sechsjährige Leanne im Hof der Grundschule an der Kapuze fest. Sie hilft der Jüngeren, die neu in die Klasse gekommen ist, gerne im Unterricht, auch gegen deren Willen. Auch im Pausenhof will die temperamentvolle Haya die Kontrolle über das schüchterne Mädchen aus Syrien behalten. Doch Miss Kiet hat den Vorfall beobachtet. Als die Kinder wieder in der Klasse sind, nimmt sie Leanne auf den Schoß und spricht mit Haya vor versammelter Mannschaft: Wie doof es sich für das kleine Mädchen anfühlen muss, wenn es festgehalten wird und doch spielen will. Psychologisch einfühlsam, klar und geduldig erklärt sie, wie es funktionieren kann, Grenzen zu respektieren, aber auch, wie man sie setzt. Dazu nimmt sie Leanne am Ende nochmal zur Seite und bringt ihr bei, wie man sich in der neuen Sprache abgrenzt.
Mit Haya hat sie ein Belohnungssystem vereinbart, das der Schülerin für soziale Erfolge Schmetterlingsaufkleber einbringt; diese will sie gerne haben, das lässt sich an ihrem Blick ablesen. Gerade die Gesichter, die Blicke der beiden Mädchen Haya und Leanne, die im Zentrum des Films stehen, sind ein Spiegel ihrer Gefühle. Bei Jorji, einem Zehnjährigen aus Syrien, der nach einer Weile ins Zentrum rückt, ist das ein bisschen anders. Er trägt eine Brille mit dicken Gläsern und schwarzem Rahmen, kann sich schwer konzentrieren und spielt ein wenig die Rolle des Klassenclowns, mit allen möglichen Ticks, Zuckungen und Ablenkungsmanövern. Er erinnert von fern an den britischen Komiker Mr. Bean, doch Jorjis Geschichte, das schält sich langsam in seinen Gesprächen mit Miss Kiet heraus, gleicht einer Tragödie.
Ein Schuljahr lang hat das Filmteam die Klasse beobachtet. Über die zwingend notwendige Lauflänge von fast zwei Stunden lassen sich die kleinen Schritte beobachten, die die Kinder unter der liebevoll-strengen, sehr individualisierten Führung ihrer Lehrerin machen. Keine einzige Szene ist hier zu lang, und man wird gar nicht satt davon, den Protagonisten zuzuschauen. Von Miss Kiet kann man wirklich etwas lernen, auch wenn man seine eigenen Kinder schon gut zu erziehen meint.
„Miss Kiet’s Children“ erinnert an Nicolas Philiberts „Sein und Haben“ (fd 35 751) über eine französische Grundschulklasse: Eine Hommage an die guten Lehrer, die das Leben ihrer Schüler prägend verändern.
„Miss Kiet’s Children“ ist ein meisterhaftes Beispiel für ein zeitgemäßes Direct Cinema, das rein auf Beobachtung beruht, keine Interviews, keine Kommentare und keine Filmmusik verwendet. Irgendwann scheinen Kinder und Lehrerin die anwesende Kamera vergessen zu haben. Am Ende läuft Miss Kiet wieder durch das leere Klassenzimmer, kontrolliert die Pulte, legt Hefte darauf, räumt ein wenig auf. Dabei hält sie eine Tasse in der Hand: Das ist jetzt auch ihre Pause.
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