Tatort - Der rote Schatten

Krimi | Deutschland 2017 | 90 Minuten

Regie: Dominik Graf

Nach dem Tod seiner Frau will ihr Ex-Mann die offizielle Unfallversion nicht akzeptieren. Er verdächtigt den Lebensgefährten der Toten, dessen Vergangenheit, wie die Nachforschungen ergeben, voller Ungereimtheiten steckt und oft die Pfade von Linksterroristen und dem Verfassungsschutz kreuzte. Vorzüglich inszenierter, stilistisch ungewöhnlicher (Fernsehserien-)Krimi als Beitrag zum Stuttgarter „Tatort“, bei dem die Wahrheitssuche immer wieder in die vom Terror geprägten 1970er-Jahre zurückspringt. Pendelnd zwischen sanfter Nostalgie und reflektierter Zeitgeistanalyse, thematisiert der Film kritisch, mitunter auch durchaus spekulativ die widersprüchliche Beziehung zwischen Staatsvertretern und Staatsfeinden. - Ab 16.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2017
Produktionsfirma
Sommerhaus Filmprod.
Regie
Dominik Graf
Buch
Raul Grothe · Dominik Graf
Kamera
Hendrik A. Kley · Jakob Beurle
Musik
Sven Rossenbach · Florian van Volxem
Schnitt
Tobias Streck
Darsteller
Richy Müller (Thorsten Lannert) · Felix Klare (Sebastian Bootz) · Hannes Jaenicke (Wilhelm Jordan) · Oliver Reinhard (Christoph Heider) · Heike Trinker (Astrid Frühwein)
Länge
90 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Krimi
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TMDB

Diskussion
»Die Vergangenheit wirft Schatten…«, verkündet Kriminalhauptkommissar Lannert einmal unheilschwanger im neuen Tatort von Dominik Graf. Ganz trifft er die Geschichte von »Der rote Schatten« damit nicht, in der vielmehr das schattenverhangene Damals ins Jetzt wächst. Auch vierzig Jahre nach dem Deutschen Herbst ist nicht jeder Hergang erörtert, nicht jede Mitschuld geklärt. Um die berüchtigte Todesnacht von Stammheim etwa ranken sich immer noch Verschwörungstheorien: War es wirklich Suizid oder doch Mord? Mit genau dieser Frage sind Lannert (Richy Müller) und sein Partner Sebastian Bootz (Felix Klare) auch beim Tod von Marianne Heider konfrontiert: Obwohl es sich offiziell um einen Unfall handelt, verdächtigt ihr Ex-Mann Christoph (Oliver Reinhard) ihren aktuellen Lebensgefährten, den umtriebigen Wilhelm Jordan (Hannes Jaenicke). Dessen Vergangenheit ist voller Ungereimtheiten und kreuzt immer wieder die Pfade von Terroristen und Verfassungsschutz. Wohlmöglich war er – Carlo Goldonis Lustspiel wird erwähnt – »Der Diener zweier Herren«. Graf inszeniert eine Wahrheitssuche durch die Zeit, bei der Menschen immerzu in verschiedene Facetten ihrer Selbst zerfallen, nur um doch wieder eins zu werden. Die Form des Films tut es ihnen gleich: Jump Cuts und Schwarzblenden geben dem Geschehen eine unstete Fiebrigkeit. Manche Szenen werden nur angeschnitten und erst durch die Nacherzählung Wirklichkeit. Kaum ein Moment steht ganz für sich, viele sind lediglich Portale in die Vergangenheit. Mal geht es vierzig Minuten, mal vierzig Jahre zurück. Gleichwertig stellt Graf die grobkörnig dahinratternden Spätsiebziger (dargestellt wie Archivmaterial, als Dokumentation des Fiktiven) und die High-Definition-Gegenwart nebeneinander, immerzu zwischen sanfter Nostalgie und reflektierter Zeitgeistanalyse pendelnd. Der Fall offenbart letztendlich, wie symbiotisch die Beziehung des Staats zu seinen Feinden ist, wie sehr man einander braucht, um alte Schatten auszubreiten und lebendig zu halten.
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