Wer von Yorkshire schwärmt, hat nie versucht, dort das karge Land zu bestellen. So sagt es der Farmersohn Johnny Saxby, der von Kindheit an erlebt hat, wie schwer das Dasein in dem rauen Klima ist. Wer kann, haut ab. Wie seine Mutter, die ihn als Kind allein ließ, um ihrem Traum von der Arbeit als Friseuse zu folgen, irgendwo im Süden Englands. Oder wie seine frühere Schulfreundin, die er zufällig trifft, als sie eine Stippvisite in die Heimat unternimmt. „Einige von uns haben keine Wahl“, weist Johnny die Einladung zu einem Bier zurück und verzieht sich wieder in seinen Schmollwinkel. So sehr er die harte Arbeit hasst, so trotzig hält er daran fest, dass es für ihn kein besseres Leben geben kann.
Der Brite Francis Lee, der mit „God’s Own Country“ seinen ersten Spielfilm inszeniert, stammt selbst von einer Farm in Yorkshire. Das Dilemma seiner Hauptfigur setzt er dementsprechend mit kenntnisreichem Blick um. Der 24-jährige Johnny reibt sich bis zur Erschöpfung auf, umso mehr, seit sein Vater Martin nach einem Schlaganfall als Arbeitskraft weitgehend ausfällt. Der etwa 50-Jährige kann nur noch mit Krücken laufen, behält sich aber das Regiment über den Hof, die Schafe, Rinder und seinen Sohn vor. Die Stimmung auf dem Hof ist meist wutgeladen und bedrückend, und so bewegt sich auch die Kamera von Joshua James Richards am Anfang des Films: immer hart an die Protagonisten gepresst, genau wie sie kaum einmal den Blick in die Weite hebend.
Während Johnny sich noch an die Hoffnung klammert, dass alles beim Alten bleiben könne, hat der invalide Vater längst eine Entscheidung gefällt: Ein weiterer Arbeiter muss eingestellt werden. Da sich nur ein Interessent meldet, fällt die Wahl zwangsläufig auf ihn. Abwehrgefühle, weil Gheorghe aus Rumänien stammt, verbieten sich für Martin in seiner Lage; Johnny dagegen lässt den gleichaltrigen Mann unverhohlen Verachtung spüren. Gheorghe aber wehrt sich gegen die Provokationen. Als die beiden mit den Schafen einige Tage außerhalb des Hauses verbringen, kommt es zum Streit, allerdings mit unerwartetem Ausgang: Der Ringkampf mündet in ein Umschlingen, das bei aller Ruppigkeit unmissverständlich auch Zärtlichkeit enthält. Es bleibt nicht bei dem einen Mal. Johnny, der bislang nur gelegentlich verstohlenen Sex mit Fremden hatte, treibt die Beziehung temperamentvoll voran. Dass Gheorghe mehr auf Vorsicht bedacht ist, droht allerdings schon bald einen Keil zwischen sie zu treiben.
Unvermeidlich denkt man bei der Entwicklung des Verhältnisses zwischen den jungen Männern an Ang Lees Cowboy-Liebesmelodram „Brokeback Mountain“
(fd 37 478). Francis Lee erweist diesem Vorbild in vielen Szenen respektvoll Reverenz und entwickelt in der konzentrierten Schauspielerführung und der glaubwürdigen Milieuzeichnung auch vergleichbare Qualitäten. Während bei Ang Lee die eigentliche Cowboy-Arbeit im Vergleich zu den komplizierten Gefühlsregungen aber eher im Hintergrund ablief, stehen hier die Darstellung von Männerliebe und Landarbeit gleichberechtigt nebeneinander.
In der bedrohlichen Situation, in der sich die Saxbys befinden, könnte Gheorghes dauerhafte Präsenz die Rettung sein – ein Aspekt, den Johnny von Anfang an mit im Auge hat, obwohl ihn Gheorghes Änderungsvorschläge irritieren. Der Gedanke an Widerstand von außen wird dabei fast gänzlich ausgeblendet, was den Film deutlich optimistischer erscheinen lässt als „Brokeback Mountain“, wenn auch mit bitterem Einschlag: Selbst wenn die Männer ihre Liebe tatsächlich ausleben könnten, stellte sich immer noch die Frage nach der Zukunft der Farm.
Wie wichtig die Arbeit trotz aller Mühsal für die Figuren ist, vermittelt sich weniger durch die spärlichen Dialoge als durch die aufmerksame Kameraführung, die den Mikrokosmos der Farm mit all seinen erdverkrusteten und strohverklebten Details einfängt. Immer wieder rücken Hände in den Fokus – beim Zaunaufstellen, bei der Feldarbeit, beim Kontakt mit den Tieren; sie sind zunehmend aber auch Anzeichen für den Wunsch nach Annäherung, den die durchweg wortkargen Charaktere nicht aussprechen können: Die sanfte Berührung einer Verletzung, tastende Finger, eine Hand, die eine andere umschließt. Diese intime Nähe prägt das außergewöhnliche Regiedebüt, das allmählich auch einen anderen Blick auf die Landschaft eröffnet: Johnnys wachsende Gefühle für Gheorghe gehen mit einer Lichtzunahme in dem bis dahin dem grauen Wetter angepassten Film einher. Wenn der Rumäne das nun von der Sonne bestrahlte Land als schön bezeichnet, widerspricht selbst Johnny nicht mehr.