Coming-of-Age-Film | Deutschland 2017 | 106 Minuten

Regie: Ute Wieland

Verfilmung des Jugendromans von Stefanie de Velasco um zwei Teenager-Mädchen und einen bewegten Sommer, der für sie in verschiedener Hinsicht bedeutsam wird. Nach Kräften wollen sie ihr Leben genießen und den ersten Sex erleben, während eine von ihnen, die irakische Wurzeln hat, auf die ersehnte Aufenthaltsgenehmigung für sich und ihre Mutter hofft. Als die Mädchen Zeuginnen eines „Ehrenmords“ werden, wird ihre Freundschaft auf die Probe gestellt. Bemerkenswert weiß der Film das im Roman beschworene Lebensgefühl umzusetzen, wogegen der Umschwung hin von jugendlicher Ausgelassenheit ins Ernste nicht ganz überzeugt. - Ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2017
Produktionsfirma
Akzente Film & Fernsehproduktion/Constantin Film/Sima Film
Regie
Ute Wieland
Buch
Ute Wieland
Kamera
Felix Cramer
Musik
Kicker Dibs
Schnitt
Anna Kappelmann
Darsteller
Flora Li Thiemann (Nini Lindemann) · Emily Kusche (Jameelah Bashir) · David Ali Rashed (Amir Begovic) · Narges Rashidi (Noura Bashir) · Gisa Flake (Annika Lindemann)
Länge
106 Minuten
Kinostart
17.08.2017
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Coming-of-Age-Film | Drama | Jugendfilm | Literaturverfilmung
Externe Links
IMDb | TMDB | JustWatch

Schwungvolle Jugend-Abenteuer mit Grenzen nach dem Roman von Stefanie de Velasco

Diskussion
Sommerferien, Coming-of-Age, Freundschaft, Vertrauen, Mutproben, Drogen, Defloration, Liebeskummer, Provokation, Sprachwitz, Prostitution, Berlin, Party machen, Integration, Multikulti, Ehrenmord, Afghanistan-Veteranen, Abschiebung: Geradezu aus dem Übervollen schöpfte Ute Wieland bei ihrer betont schwungvollen Verfilmung von Stefanie de Velascos Jugendroman, der seinerseits bereits etwas unter thematischer Überfrachtung ächzte. Die entscheidende Frage ist, ob der Film den eigentümlichen „Sound“ und die provokante Härte der literarischen Vorlage vermitteln kann – ohne dabei die jugendliche Zielgruppe im Kino durch allzu viel „Realismus“ zu verfehlen oder gar zu verschrecken. Nini und Jameelah sind beste Freundinnen, leben in benachbarten Berliner Blocks und gehen in dieselbe Schulklasse. Allerdings ist die gewitzte Jameelah eine notorische Klassenprima, während Nini eher eine dürftige Schülerin ist, was auch damit zu tun haben könnte, dass ihre Mutter Alkoholikerin ist. Doch jetzt sind erst einmal Sommerferien – und man könnte, so eine erste Idee, die Zeit nutzen, um sich einen tollen Jungen zu suchen und sich entjungfern lassen. Oder vielleicht andersrum. Die 14-jährigen Freundinnen stromern shoppend durch die City, hängen im Freibad ab und warten, „Tigermilch“ (Mariacron + Maracuja-Nektar + Milch) trinkend, auf größere Abenteuer. Und Jameelah, geflüchtet aus dem Irak, insbesondere darauf, dass für sie und ihre als Krankenschwester arbeitende, alleinerziehende Mutter die Sache mit der Aufenthaltsgenehmigung endlich klappt. Der Film nimmt Fahrt auf, etabliert und verdichtet Figuren, Milieu und Aufbruch episodenhaft, unterlegt wechselweise mit juvenilem Deutsch-Rock (Kicker Dibs) und aufmüpfigen Dancehall-HipHop (Chefboss). Die Abenteuer der beiden Jugendlichen changieren zwischen mal ausgelassenen, mal derben Späßen, skizziertem familiärem Hintergrund und seltsam „realistischen“ Einsprengseln, wenn sich das kecke Duo auch schon mal unter die Prostituierten des Berliner Straßenstrichs mischt, um einen willigen Freier zu foppen. Oder einfach mal laut „Nazi!“ rufend durch die Straßen rennt und staunt, wie die Menschen darauf reagieren. Die Impressionen sommerlicher Leichtigkeit überschattet allmählich ein Konflikt, der sich langsam in den Film einschleicht und dessen Tonfall ändert. Auch die junge Muslima Jasna kämpft um ihre Freiheit, sich verlieben zu dürfen, hat aber mit entschiedenerem Gegenspiel zu rechnen. Was jetzt passiert, könnte aus „Tom Sawyer“ stammen: Mitten in der Nacht, als sie ein magisch-romantisches Ritual performen, werden Nini und Jameelah Augenzeuginnen, wie Jasna von ihrem älteren Bruder erstochen wird. Ein so genannter Ehrenmord. Die Verantwortung für die Tat wird später ausgerechnet der mit den Mädchen befreundete Amir übernehmen, weil er noch zu jung ist, um für den Mord juristisch zur Rechenschaft gezogen zu werden. Jetzt haben Nini und Jameelah ein Problem, das ihre Freundschaft auf die Probe stellt. Jameelah, die weiß, was Gewalt und Blutrache bedeutet, will kein Aufsehen erregen, während Nini, diesbezüglich eher naiv, schon eine Aussage bei der Polizei machen würde. Zugleich engagieren sich die Mädchen für die Freilassung von Amir, der sein Geständnis widerrufen soll. Es kommt darüber zum buchstäblich handgreiflich ausgetragenen Streit. Jetzt rächt es sich, dass „Tigermilch“ zuvor sehr auf die schwungvolle Streich-Fähigkeit des Duos und das bestenfalls schemenhafte „Antriggern“ verbindlicher Konflikte gesetzt hat, denn der Umschwung ins Ernsthafte überfordert die Darstellerinnen spürbar. Da hilft es dann auch nicht, dass die Sache mit dem „Ehrenmord“ halbwegs zur Zufriedenheit geklärt wird, weil in dem ganzen Trubel und den Verwerfungen des Sommers eine Sache irgendwie aus dem Blick geraten ist, die dem Film dann noch ein höchst melodramatisches Finale und vielleicht die Aussicht auf eine Fortsetzung der Geschichte von Nini und Jameelah verpasst. So ächzt „Tigermilch“ etwas unter der Zumutung divergierender Tonlagen und Konflikte, was der jugendlichen Zielgruppe, die ja in der Regel den Erfahrungshorizont der Figur Jameelah nicht teilt, vielleicht gar nicht als problematisch auffallen wird.
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