Die Cutlers leben in ihrer eigenen Welt. Inmitten der sanft hügeligen Postkartenlandschaft der wohlhabenden Grafschaft Gloucestershire haben sie sich mit ihren Wohnwagen niedergelassen: Männer, Frauen, Kinder, dazu ein paar Hühner und Hunde, die sich um das Lagerfeuer scharen. Und um Colby Cutler (Brendan Gleeson): eine Naturgewalt im blauen Trainingsanzug, mit klobigem Goldring am Finger und einem verlebten Gesicht.
Ab und zu schickt er seinen Sohn Chad (Michael Fassbender) und die anderen Männer auf Raubzüge und Einbrüche. Dabei gehen sie so gewieft vor, dass ihnen die Polizei nichts anhaben kann – ganz zur Freude von Colby, der sich für unantastbar hält und auf alles außerhalb seiner eingeschworenen Gemeinschaft pfeift.
Er ist das Gesetz, und es ist das einzige, was gilt. Die Erde soll eine Kugel sein? Für Colby ist die Welt flach. Also ist sie es auch. Er sieht sich als Freigeist, ist im Herzen aber jemand, der an Traditionen festhält. Denn das Blut ist bei den Cutlers besonders dick, und deshalb gilt auch das Prinzip „Vom Vater zum Sohn zum Enkel“.
Doch der Sohn will nicht mehr. Eine Revolte im Erwachsenenalter gegen den Vater, fast eine verspätete Pubertät. Chad will für seine Kinder ein anderes, sesshaftes Leben, in dem sie eine Schule besuchen und etwas lernen können. Etwas, was ihm sein eigener Vater verwehrt hat. Chad kann zwar Auto fahren wie kein Zweiter, aber kaum ein Wort lesen und schreiben.
Der britische Filmemacher Adam Smith hat zuvor Music-Clips für die Band „The Chemical Brothers“ gedreht, die nun die Filmmusik beisteuern. Mit seinem Erstlingswerk verfolgt er keinen sozialkritischen Ansatz: Die Lebensbedingungen der irischen Travellers, die außerhalb einer hoch technisierten Gesellschaft leben, interessieren ihn nicht.
Vielmehr erzählt er einen klassischen Vater-Sohn-Konflikt über drei Generationen hinweg und stellt existenzielle Fragen: Wie entkommt man einer Familie, die Segen und Fluch zugleich ist? Wie einem Vater, der alles für einen tun würde, aber im Gegenzug auch alles verlangt? Wahrlich nichts Neues, und doch entwickelt der Film einen eigenen Sog, den er vor allem seinen Schauspielern verdankt. Brendan Gleeson verleiht Colby raumgreifende Wuchtigkeit und ist ein universeller Vater, sogar in religiöser Hinsicht, was der Originaltitel „Trespass Against Us“ durch einen Verweis auf das „Vater Unser“ andeutet: „And forgive us our tresspasses, as we forgive them that trespass against us.“
Aber kann Colby vergeben? Kann er den ziehen lassen, der fort will? „Du sollst nicht jammern“, predigt Colby einmal, doch genau das tut sein Sohn in seinen Augen. Wie in seinen Anfängen, etwa in Steve McQueens „Hunger“ (2008) oder in Andrea Arnolds „Fish Tank“ (2009) überzeugt Michael Fassbender als vielschichtiger Charakterdarsteller zerrissener Menschen auch hier als ein Mann, der nicht gegen seinen übermächtigen Vater ankommt.
Das Duell der beiden Figuren bricht das Familiendrama mit Anleihen ans Heist- Movie-Genre sowie mit rasanten Verfolgungsfahrten auf und kreiert mitunter sogar überdreht komische Momente. Unangepasstheit ist durchaus auch sympathisch. Die konsequent gelebte Anarchie der Cutlers geht dabei immer den direkten Weg: Warum unbemerkt in ein Anwesen einbrechen, wenn man einfach ins Haus hineinfahren kann? Das ist Körperkino und die filmische Umsetzung jener Gesetzlosigkeit, die die Cutlers hochhalten. Wobei sie nicht merken, dass sie ihre vermeintliche Freiheit in ein enges Korsett aus konservativen Werten geschnürt haben.