Seit 60 Jahren veranstaltet die evangelisch-lutherische Kirche in Tansania einen Chor-Wettbewerb, bei dem die Teilnehmer einen Luther-Choral sowie ein Musikstück aus ihrer Region zur Aufführung bringen. Der Dokumentarfilm begleitet drei Chöre auf ihrem Weg ins Finale und lässt fast beiläufig am Leben teilhaben. Im Zentrum stehen sechs Menschen aus unterschiedlichen Schichten, die über ihre Liebe zur Musik, ihren Glauben und ihren Alltag sprechen. Ein gelungenes Beispiel teilnehmender Beobachtung, bei dem immer wieder Informationen über Gegenwart und Geschichte des Landes einfließen, das bis Ende des Ersten Weltkriegs deutsches Kolonial- und Missionsgebiet war.
- Ab 14.
Sing It Loud - Luthers Erben in Tansania
Musikdokumentation | Deutschland 2017 | 99 Minuten
Regie: Julia Irene Peters
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Filmdaten
- Produktionsland
- Deutschland
- Produktionsjahr
- 2017
- Produktionsfirma
- JIP Filmproduktion
- Regie
- Julia Irene Peters · Jutta Feit
- Buch
- Julia Irene Peters · Jutta Feit
- Kamera
- Vita Spiess
- Schnitt
- Anna Demisch · Svenja Fritsche
- Länge
- 99 Minuten
- Kinostart
- 18.05.2017
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 14.
- Genre
- Musikdokumentation
- Externe Links
- IMDb | TMDB | JustWatch
Doku über einen Chorwettbewerb in Tansania
Diskussion
Der altehrwürdige Luther-Choral „Ein feste Burg ist unser Gott“ erklingt vielstimmig in der weiten ostafrikanischen Landschaft. Der chorische Vortrag des reformatorischen Kampfliedes ist eine inhaltliche Vorgabe des traditionsreichen Gesangwettbewerbes, den die evangelisch-lutherische Kirche in Tansania seit dem Jahr 1954 organisiert. Mehr als 1500 Chöre aus dem afrikanischen Land beteiligen sich daran. „Es ist nicht leicht, dieses europäische Lied zu lernen“, sagt der Leiter des Neema-Chors, und alle Sänger lachen zustimmend. Neben der Pflicht, dem alten deutschen Kirchenlied, gibt es aber auch noch die Kür: ein selbstkomponiertes Lied, das den eigenen Traditionen entspringt.
„Sing It Loud – Luthers Erben in Tansania“ erzählt von fremder wie heimischer Musikkultur, von musikalischen Traditionen und Erneuerungen, aber insbesondere von der Liebe zum Chorgesang. Der Film begleitet drei Chöre auf dem Weg ins Finale und lässt dabei angenehm leise, fast beiläufig am Leben in Afrika teilhaben. Im Mittelpunkt stehen sechs Menschen aus Nordtansania, Landbewohner und Stadtmenschen, die von ihrer Liebe zur Musik und ihrem Glauben sprechen. Martha komponiert Lieder in der Tradition der ostafrikanischen Wagogo-Kultur. Gemeinsam mit Simon betreibt sie eine kleine Farm in der Nähe des Dorfes Monduli; beide singen im Neema-Chor. Maria und Evarest hingegen besitzen eine Autowerkstatt in der Großstadt Arusha. Vor 20 Jahren gründeten sie den A Cappella Cantate Chor, mit dem sie jedes Jahr am Wettbewerb teilnehmen. Auch wenn sie wohlhabender sind als Martha und Simon, gestaltet sich ihr Alltag keineswegs leicht: „Zur Mittelklasse gehört man, wenn man alles bezahlen kann“, sagt Evarest. „Das Geheimnis besteht in harter Arbeit. Es gibt keine Wunder. Keiner hilft dir.“ Das Singen aber ist ihm zum Lebenssinn geworden, und er hofft, auch nach seinem Tod im Himmel weitersingen zu können. Der Kanaani-Jugendchor versammelt Jugendliche, die ihr Glück in der Großstadt suchen. Kelvin hat ihn als 15-Jähriger zusammen mit Nunu und anderen Freunden gegründet. Sie verbinden traditionelle Musik mit elektronischen Elementen und machen Musikvideos.
Diese drei Chöre repräsentieren unterschiedliche soziale Schichten des Landes: die Landbevölkerung, städtische Mittelschicht und eine Jugend auf der Suche nach einer Zukunft zwischen Tradition und Moderne. Die Chorsänger sind Autodidakten und Christen. Musik ist ihre größte Leidenschaft. Alle, insbesondere die Jungen, wollen den Wettbewerb gewinnen.
Der Film von Julia Irene Peters ist ein gelungenes Beispiel teilnehmender Beobachtung, bei dem immer wieder Informationen über Gegenwart und Geschichte Tansanias einfließen. Wenn Jugendliche über Diskotheken und Alkohol diskutieren, ältere Menschen von der Feldarbeit oder Hausangestellte von ihren Jobs erzählen, gewinnt man einen Einblick in die prekäre wirtschaftliche Situation des Landes, das bis Ende des Ersten Weltkriegs Teil der deutschen Kolonial- und Missionsgeschichte war. Die Kamera bleibt nahe an den Protagonisten, schweift aber auch durch die Umgebung und fotografiert die beeindruckende Landschaft. „Sing It Loud – Luthers Erben in Tansania“ will keine reißerische Elendsreportage sein und hält sich auch von exotischer Schönfärberei zurück; es geht dem Film vielmehr um Menschen in schwierigen Verhältnissen, auch wenn ein optimistischer Grundton die Oberhand behält.
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