Ende des 19. Jahrhunderts gerät Scotland-Yard-Inspector Kildare in Londons Limehouse District in ein Geschichtengewirr aus Morden, Vorurteilen und der doppeldeutigen Welt des Varietés. Äußerst brutale Verbrechen, die „Golem-Morde“, sind geschehen, nun soll er sie mit Hilfe des Polizisten Flood aufklären. Zur selben Zeit steht die Varietékünstlerin Elisabeth „Lizzie“ Cree vor Gericht: Sie soll ihren Ehemann John ermordet haben. Lizzie lebt zwar als bürgerliche Ehefrau eines Autors, arbeitet aber in der Welt der Music Hall und des Varietés um den schillernden Star Dan Leno. Je weiter sich Kildare ins Dickicht aus Vermutungen, Beweisen und Ahnungen begibt, desto mehr scheinen die beiden Fälle miteinander verbunden zu sein. Ein drängender Wettlauf um die Zeit beginnt.
„The Limehouse Golem“ spiegelt zahlreiche Themen und Problematiken des Viktorianischen Zeitalters. Vorrangig geht es um die soziale, rechtliche und politische Situation der Frau: Lizzie kommt aus ärmlichen, von Missbrauch und Prostitution geprägten Verhältnissen, ihre bürgerliche Ehe mit einem Autor bedeutet eine Vermischung der Stände. Auch dass sie in einer kinderlosen Ehe freibestimmt ihre eigene Berufswahl als Schauspielerin trifft, muss sie für den zeitgenössischen Richter wie auch die breite „blutgierige“ Bevölkerung in ein schlechtes Licht rücken, widerspricht ihr Lebensstil doch allen offiziell vorgegebenen Leitlinien aus Moral, Reinheit, Sittsamkeit, Erwerbslosigkeit und Zurückhaltung für Frauen. Angesichts eines solch unmenschlichen, antifeministischen und patriarchalischen Weltbilds scheint für Lizzie ein Schuldspruch wegen des Mords an ihrem Mann zwangsläufig und unausweichlich.
Auch die übrigen Figuren des verfilmten Romans „Dan Leno and the Limehouse Golem“ von Peter Ackroyd sind Teil der zeithistorischen Aufnahme der Londoner Gesellschaft: Unter Verdacht stehen historisch belegte Figuren wie Dan Leno, ein für seine Verarbeitungen alltäglicher Aspekte der Arbeiterklasse populärer Varietékünstler, der Autor George Gissing, bekannt für seine Milieu- und Charakterschilderungen der Arbeiterklasse, und sogar Karl Marx, der den Klassenkampf als zentrales Element in der gesellschaftlichen Entwicklung sah. Geschickt spielt der Film mit dem kritischen Blick auf Milieu und Arbeiterschaft, Bigotterie und Gutbürgerlichkeit, letztlich auch auf gesellschaftlich fragwürdige Strukturen und Machtbereiche. Eindrucksvoll verbindet Drehbuchautorin Jane Goldman („Die Frau in Schwarz“
(fd 40 994), „Die Insel der besonderen Kinder“
(fd 44 174)) die verschiedenen Ebenen, lässt Gedankenspiele real erscheinen, verknüpft die aktuellen Ereignisse raffiniert mit Rückblenden. All das macht das besondere Flair des Films aus, ähnlich wie die farblich und atmosphärisch dichte Beschreibung der schillernden Welt der Music Halls als eine Welt des Hinters-Licht-Führens. Auch wenn „The Limehouse Golem“ die rigorose Ästhetik eines thematisch verwandten Films wie „From Hell“ (2001,
(fd 35 306)) fehlt, inszeniert Juan Carlos Medina („Painless – Die Wahrheit ist schmerzhaft“) durchaus eindrucksvoll eine Theatralik, die der Realität erschreckend nahe kommen dürfte.