Paula ist siebzehn und damit in einem Alter, um das sich viele (popkulturelle) Mythen ranken. „Mit siebzehn hat man noch Träume“, „Siebzehn Jahr, blondes Haar“ usw. In dieser Zeit steckt man in einem Dazwischen, kein Kind mehr, noch Teenager, bald erwachsen. Lauter Fragen stehen im Raum: Was will ich mal werden? Wen will ich lieben? Und wer bin ich eigentlich?
Blickt man zurück auf diese Zeit, kommt sie einem wahrscheinlich ereignisreicher vor als sie tatsächlich war, und trotzdem passiert genau in diesem Alter ganz viel. Kein Wunder, dass diese Lebensphase immer wieder Stoff für Geschichten, Popsongs und jede Menge Filme übers Erwachsenwerden liefert.
Die österreichische Filmemacherin Monja Art erzählt in ihrem Spielfilmdebüt „Siebzehn“ auf völlig unaufgeregte Art – und aus eigener Erfahrung – vom Jungsein in der niederösterreichischen Provinz kurz vor den Sommerferien. Paula und ihre besten Freunde Kathrin und Marvin gehen wie alle anderen auf eine nahegelegene Internatsschule. Einige wohnen dort, andere zu Hause. So wie Paula, die mit ihrer Schwester und ihrem psychisch kranken Vater im Dorf lebt. Die große weite Welt mit all ihren unendlichen Möglichkeiten liegt dort draußen. Ein Sehnsuchtsort vielleicht, doch das echte Leben findet in Lanzenkirchen zwischen Schule, der Dorfdisco „Shake“ und dem Baggersee statt.
Ein kleiner Kosmos, den man mit dem Rad und dem Bus abzirkeln kann, gerade noch groß genug für Paula und ihre Wünsche, Träume und Sehnsüchte, die sich vor allem um Charlotte drehen, dieses schüchterne Mädchen mit dem süßen Lächeln, die, wie Kathrin sagt, „ganz fix auf Paula“ steht. Wenn sie nicht mit Michael zusammen wäre.
Erfrischend anders wird hier von Teenies erzählt. Natürlich gibt es all die verstohlenen Blicke, zufälligen Berührungen und Ringen um Worte. Aber nie werden die jungen Protagonisten problematisiert.
Es wäre ein Leichtes, Paula über das psychische Leiden ihres Vaters ins Aus geraten zu lassen. Aber das erspart die Regisseurin der Protagonistin wie den Zuschauern. Mit dieser entspannten Erzählhaltung erinnert „Siebzehn“ an André Téchinés fast gleichnamigen Spielfilm „Mit siebzehn“
(fd 44 547), der von der Liebe zweier Jungen in der französischen Provinz erzählt. Auch Monja Art zeigt Jugendliche, die zwar überaus mit sich beschäftigt sind und es nicht unbedingt leicht haben, aber die in erster Linie klug und aufgeschlossen sind, die sich gegenseitig akzeptieren, wie sie sind, die zuhören und miteinander reden. Nämlich über all das, was Gewicht hat: Liebe, Tod, Filme, Musik, das eigene Dasein in der Unendlichkeit der Zeit oder das neue Profilbild – alles Themen, die Jugendliche umtreiben.
Das alles wirkt so unverstellt und echt, dass man sich zuweilen mittendrin fühlt, als gehöre man dazu, weil man all die großen Weltanschauungs- und Erkundungsgespräche selbst einmal geführt hat oder gerade noch führt. Und mittendrin steckt Paula, die für Charlotte schwärmt und von Lilli verführt wird und sich auf eine Nacht mit Tim einlässt, nicht ahnend, dass sie für ihn die Welt ist, und unwissentlich den verhuschten Französischlehrer mit ihren Sprachkenntnissen und schlauen Bemerkungen zu Flaubert und Proust fast um den Verstand bringt.
Dass es dem Film an einem klassischen Plot fehlt, verleiht der Geschichte nur noch ein Stück mehr Wahrhaftigkeit. Man begleitet Paula, Charlotte, Lilli und all die anderen eine Zeitlang und lässt sie dann davonziehen. Dass man sich auf die eigenen Gefühle manchmal nicht verlassen kann, es schneller zu Missverständnissen kommt, als es einem gewahr ist: Das ist eine bittere Lektion, die Paula lernen muss. Sie wird daran nicht zerbrechen. Denn man kann sich sicher sein, dass Paula und die anderen jungen Leute aus Lanzenkirchen ihren Weg finden werden und sie auch der schlimmste Herzschmerz nicht zu Boden drücken wird.