„Geiz ist geil!“, verheißt ein schon etwas in die Jahre gekommener Werbeslogan, und ein Bonmot besagt, dass man von den Reichen das Sparen lernen kann. Allerdings wird Sparsamkeit, wo sie nicht durch (finanzielle) Not begründet ist, als Gegenteil der Großzügigkeit empfunden. Im Christentum gilt die Habsucht als Todsünde. Vor einem solchem Hintergrund wirkt übertriebene Sparsamkeit gerne komisch. In der Literatur wimmelt es von geizigen Käuzen. von Shakespeares Shylock über den rotbestrumpften Pantalone der Commedia dell’Arte und Charles Dickens’ Ebenezer Scrooge bis zu Dagobert Duck. Frankreich kennt seit 1682 Molières Luststück „Der Geizige“, Jean Girault und Louis de Funès haben darauf 1980 „Louis, der Geizkragen“
(fd 22 409) kreiert.
Nun legt Fred Cavayé mit „Radin!“ (wörtlich: Geizkragen) nach; in Deutschland kommt der Film unter dem euphemistischen Titel „Nichts zu verschenken“ ins Kino. Der Regisseur kommt indes aus der Thriller-Ecke: Mit „Ohne Schuld“
(fd 39 930), „Point Blank – Aus kurzer Distanz“ (2010) und „Mea Culpa – Im Auge des Verbrechens“
(fd 42 569) hat er drei elegant geschliffene und rasante Filme inszeniert. „Nichts zu verschenken“ ist seine erste Komödie. In Interviews führt Cavayé Louis de Funès als Referenz an. In die Titelrolle spielt mit Dany Boon einer der beliebtesten französischen (Film-)Komiker, was zum Traumstart des Films in seiner Heimat sicher beigetragen hat.
Stilistisch-atmosphärisch lässt sich der Film zwischen Jacques Tati, Tim Burton und Mr. Bean verorten, zwischen den Paris-Filmen von Jean-Pierre Jeunet und französischen Provinzkrimis. Im Mittelpunkt steht ein begnadeter Violinist, François Gautier, der im Orchester die erste Geige spielt und sich daneben als Musiklehrer verdingt. Er sieht nicht schlecht aus und ist auch sensibel. Doch er ist auch schamlos geizig.
Mit gut 40 Jahren wohnt er noch im Haus seiner verstorbenen Eltern; er besitzt nur ein einziges Paar Schuhe, einen einzigen Tweed-Anzug. Er kauft grundsätzlich nur Sonderangebote, geht alle Wege zu Fuß, weil alles andere zu teuer wäre, und nutzt zuhause den Schein der nächsten Straßenlampe. Gautiers einziges Glück ist sein wachsendes Sparkonto. Der Banker, den er jede Woche aufsucht, ist so etwas wie ein Freund und Psychiater, der ihn auch in schwierigen Lebenssituationen berät. Christophe Favre spielt den schmächtigen Kerl, der unter dem Pantoffel seiner matronenhaften Gattin steht, mit Verve.
Gautier, ein Knauserer, wo es ums Spenden geht, aber der erste, wenn es was gratis gibt, ist bei den Nachbarn so unbeliebt wie bei den Musikschulkollegen. Seine Position im Orchester trägt ihm zwar die Achtung der Kollegen, nicht aber ihre Freundschaft ein.
Allerdings ist Gautiers Geiz – da weicht der Film vom Klischee ab – keine Charaktereigenschaft, sondern eine pränatale Angstneurose. Als Sohn eines kaufsüchtigen Mannes und einer Frau, die darüber zunehmend die Nerven verlor, hat er schon als Fötus das Gezeter seiner Mutters mitbekommen. Ihre Bitte, er möge um Himmelswillen nicht wie sein Vater werden, ist ihm zum Lebensmotiv geworden.
In der Haut des Geizkragens, so die Prämisse des Films, steckt vielleicht doch ein großzügiger Kerl. Um diesen hervorzukitzeln, schickt das Drehbuch zwei unbekannte Frauen vorbei. Zum einen die neue Cellistin Valérie, zum anderen seine 17-jährige Tochter Laura, von deren Existenz er bislang nichts wusste: Gautier vertilgt nicht nur Lebensmittel, die ihr Ablaufdatum überschritten haben, sondern verwendet auch abgelaufene Kondome.
Valérie ist von Gautiers Geigenspiel derart begeistert, dass sie sich auf der Stelle verliebt und alles andere übersieht. Laura hat von ihrer Mutter jahrelang zu hören bekommen, dass ihr Vater sein ganzes Geld Waisenkindern in Mexiko zukommen lässt. Die beiden Frauen nehmen Gautier deshalb anders als seine Umwelt wahr und loben ahnungslos seine vermeintliche Großzügigkeit. Was bei Bekannten und Nachbarn erst zu Verblüffung, dann zu Wohlwollen führt und schließlich Gautier zur Veränderung zwingt.
Das geht auch dramaturgisch ganz gut auf, was vor allem das Verdienst von Dany Boon ist, der es ähnlich wie in „Willkommen bei den Sch’tis“
(fd 38 956) und „Super-Hypochonder“
(fd 42 310) glänzend versteht, das Charisma einer zunächst unsympathischen Figur und eine feinfühlige Innerlichkeit zu enthüllen. Was allerdings nicht heißt, dass der Film durchgängig gelungen wäre. Einige Gags wirken abgedroschen, andere Szenen überkandidelt. Vieles, was in der Originalfassung einen fabulösen französischen Charme versprüht, wirkt in der deutschen Synchronfassung bärbeißig: Humor und Komik sind immer soziokulturell bedingt und lassen sich bisweilen selbst bei bester Übersetzung nicht wirklich übertragen.
Eine Szene aber funktioniert sensationell. Darin jagt Gautier das Orchester zum Entsetzen des Dirigenten in horrendem Tempo durch ein Vivaldi-Konzert – worauf das Publikum in wahre Begeisterungsstürme ausbricht.