Schwarzer Anzug, weißes Hemd, Schlips und ein Aktenköfferchen: der siebenjährige Tim Templeton staunt nicht schlecht, als sein neues Brüderchen aus dem Taxi steigt, schnurstracks das Haus entert und später auch noch zu sprechen beginnt, und zwar im Kasernenhofton, der keinen Widerspruch duldet. Tims Eltern scheinen hiervon nichts zu bemerken, im Gegenteil. Fortan dreht sich alles nur noch um das Baby, das mit einem großen Arsenal an Schreiattacken und Trotzanfällen Aufmerksamkeit und Fürsorge einklagt.
Tim allerdings bleibt skeptisch und schnüffelt dem Neugeborenen hinterher. Nach und nach findet er heraus, dass der Dreikäsehoch mit Wanzen und Kameras das Elternhaus ausspioniert, gelegentlich mysteriöse Telefonanrufe empfängt und sich mit anderen Babys zu geheimen Konferenzen im Kinderzimmer trifft: „Wir Babys befinden uns in der Krise!“ Bis Tim den wahren Grund für die Mission seines kleinen Bruders erfährt. Francis E. Francis, Geschäftsführer der Welpenzüchterei Puppy Co., werkelt nämlich an einer Verschwörung, die nichts weniger als die Weltordnung gefährden könnte. Tim und Boss Baby müssen sich, trotz aller Zwistigkeiten, zusammenraufen, um das Schlimmste zu verhindern.
Erzählt wird diese Geschichte, die auf dem gleichnamigen Bilderbuch von Marla Frazee beruht, vom erwachsenen Tim, der mit zeitlichem Abstand die Vergangenheit Revue passieren lässt. Das macht ihn zum allwissenden Autor, der auch mal flunkern darf. Frazees preisgekröntes Bilderbuch ist eine Parabel darüber, wie sehr Babys das Leben der Eltern verändern, größere Geschwister in den Hintergrund drängen und damit eine Rivalität auslösen, die ein Leben lang anhalten kann. Doch der Animationsfilm von Tom McGrath, der schon die drei „Madagascar“-Filme (
(fd 37 131),
(fd 39 032),
(fd 41 282)) und „Megamind“
(fd 40 187) mitverantwortete, behandelt das eher beiläufig, quasi als Zugabe. Der Inszenierung geht es vor allem um die Kreation skurriler Bilderwelten in 3D, die den Film eindeutig im Fantastischen verorten.
Schon zu Beginn informiert Tim die Zuschauer im Voice over darüber, wo die Babys herkommen: vom Fließband einer riesengroßen, klinisch weißen Fabrik, die die Neugeborenen nach einem Kitzeltest, der über ihr weiteres Schicksal entscheidet, über ellenlange Wendel-Rutschen verlassen. Gerade diese Szenen beeindrucken durch ihren Einfallsreichtum und ihre sorgfältige Animation. McGrath variiert dabei durchaus den Stil: Manche Szenen sehen wie altmodische Zeichentrickaufnahmen in Technicolor oder gar wie Scherenschnitte aus.
Der Humor resultiert vor allem aus dem Widerspruch zwischen Erscheinung und Handeln: Ein Baby benimmt sich wie ein Erwachsener. Wenn Boss Baby plötzlich zu sprechen beginnt und bei seinem Bruder einen doppelten Espresso und Sushi bestellt, ist das so überraschend wie witzig. Tims Eltern hingegen sind in der Realität verankert. Sie sehen nicht, was Tim sieht, und sind darum entsprechend verwundert: „Schau mal, wie gut sich die beiden vertragen!“ Ein Widerspruch, der sich nur komisch lösen lässt.
Ob sich der Film für kleine Kinder eignet, muss aber bezweifelt werden. Zu abwegig ist die Erzählprämisse, zu hektisch und tempoverliebt der Showdown, zu actionbetont sind einige Auseinandersetzungen zwischen den Brüdern. Im Original wird das Baby von Alec Baldwin gesprochen, der alle seine Fieslinge aus „Miami Blues“ bis „Mission Impossible: Rogue Nation“ in die Gestaltung der Figur mit einfließen lässt. Mit diesem Baby ist wirklich nicht gut Kirschen essen.