Max ist ein betont cooler junger Stadthase: lässig, selbstbewusst, ebenso sorg- wie auch ein Stückchen verantwortungslos lebt er in den urbanen Tag hinein, hängt mit Freunden ab oder genießt „chillend“ das Leben. Als ihm einmal das Bilderbuch „Die Häschenschule“ vor die Mümmelnase gehalten wird, reagiert er entsetzt und abweisend: „Das olle Märchenbuch!?“
Seine spontane Abwehrhaltung ist nur zu verständlich: Schon manch früherer Generation erschien der Bilderbuch-Klassiker von Albert Sixtus aus dem Jahr 1924 als arg verstaubt und allzu pädagogisch-oberlehrerhaft, ja geradezu autoritär, woran auch die wunderbaren Zeichnungen von Fritz Koch-Gotha nichts ändern konnten.
Für eine angemessen zeitgenössische Verfilmung des Stoffs musste also eine deutliche Auffrischung der Grafik wie auch des Sujets her, das im Kern doch eigentlich unverwüstlich und beständig ist.
Genau dies muss aber auch Max erst einmal anerkennen und verinnerlichen. Gerade erst hat er die Einladung zur Aufnahmeprüfung in einer angesagten Stadt-Gang erhalten, da springt er übermütig auf ein Modellflugzeug, das außer Kontrolle gerät und ihn weit außerhalb der Großstadt abstürzen lässt – mitten hinein in die geheime Idylle der Häschenschule!
Es gibt sie also wirklich, auch den (gar nicht mehr so strengen) Lehrer Eitelfritz, der seinen braven Schülern alle Finessen beibringt, wie man den Menschen zu Ostern die Eier bringt. Für den vorschnell urteilenden Max sind solche „Landeier“ allerdings allzu betulich und folgsam. Er will mit ihnen so wenig etwas zu tun haben wie mit dem sagenumwobenen Goldenen Ei, das die Schule beschützt und das ihren Schülern sogar magische Fähigkeiten verleiht.
Doch es ist nicht so ganz leicht für ihn, wieder aus dem Wald herauszukommen: Nicht nur dass eine neidische Fuchsmutter und ihren fressgierigen Söhne die Häschenschule mit fiesen Fallen und Tricks belauern; da ist auch noch die weise Schulleiterin Madame Hermine, die in Max weit mehr erkennt als er selbst.
So gerät das Stadthäschen in viele turbulente Abenteuer, bei denen es schlussendlich das findet, was es von ganzem Herzen sucht, aber weder sich selbst noch seinen Großstadtkumpels laut eingestehen will: einen Platz im Leben, an dem es bleiben und wo es ein Zuhause finden möchte. Wenn Max sich allmählich öffnet, wenn er das sanfte und zugleich tapfere Hasenmädchen Emma ins Herz schließt, wenn er die asiatisch gefärbten Lebensweisheiten von Madame Hermine als durchaus praktikable Ratschläge anerkennt, dann ist er längst schon auf dem Weg, selbst ein Osterhase zu werden, der selbstlos handelt, um anderen eine Freude zu bereiten.
Der Animationsfilm taucht diesen „Reifungsprozess“ in knallbunte Bilderwelten von Stadt- und Naturleben, würzt ihn mit Witz und Humor, Poesie und moderater Spannung, um sanftes Lernen und die Bedeutung von Verantwortung für sich selbst wie auch für andere spielerisch zu vermitteln – gute, alte Werte, gedacht ohne Schubladendenken, Vorurteile und das Ausgrenzen anderer. Liebenswert und amüsant reibt sich dabei angesagter (Kinder-)Alltagsslang an den pathetischen Spruchweisheiten von Madame Hermine, die sogar magische Fähigkeiten zu vermitteln weiß.
Der Film bewahrt sich dabei stets etwas Aufmüpfig-Freches, sodass die Geschichte nie in devoter Niedlichkeit versandet. So doziert Madame Hermine einmal: „Lerne die Regel, damit du weißt, wann du sie brechen musst“, was Max an anderer Stelle beim morgendlichen Bad im Wald kontert mit: „Arschbombe zur Morgenstund’ macht Spaß und ist gesund!“
Dass solch sympathischen Sprach-Spielereien gut sitzen, liegt nicht zuletzt auch an den versierten Stimmen u.a. von Senta Berger, Friedrich von Thun und Jule Böwe, die auch ältere Kinogänger charmant für die Figuren einnehmen.