Zu den vielen Unverständlichkeiten der gegenwärtigen Entwicklung zählt auch das Wiedererstarken einer naiven, weltflüchtigen Religiosität. Der Erfolg eines frommen Erweckungsromans wie „Die Hütte“ von William Paul Young, der sich monatelang an der Spitze der US-Bestsellercharts behauptete, fügt sich nahtlos ins Rätselbild anti-intellektueller Gegenkräfte. Die Adaption des Bestsellers fürs Kino überführt die simple Laientheologie nun auch noch in den Kitsch kindlicher Poesiealben-Sticker.
Das Filmplakat spricht Bände. Darauf steht ein stämmiger Mann im Holzfällerhemd in einer Winternacht vor jener Hütte, in der seine kleine Tochter ermordet wurde. Die bittere Dunkelheit wird jedoch von einem gleißenden Licht überstrahlt, das Schneeflocken durch die Luft wirbeln lässt, auch weil Gott in Gestalt der afro-amerikanischen Schauspielerin Octavia Spencer zu Hilfe eilt.
Das Poster verdichtet treffend Handlung wie Ästhetik eines hart an der Grenze zur Fantasy angesiedelten Films. Die Dramaturgie greift die Struktur der Romanvorlage auf und folgt zunächst dem Campingausflug der Phillips-Familie am Labor Day, der in herbstlich gefärbte Wälder im US-Bundestaat Oregon führt und an dem die Jüngste spurlos verschwindet.
Jahre später erhält der innerlich verhärtete Mackenzie einen mit „Papa“, dem familiären Kosewort für Gott, unterzeichneten Brief, der ihn zu einem Wochenende an jenem Ort auffordert, an dem man das blutverschmierte Kleid seiner Tochter fand. Widerstrebend leistet er der mysteriösen Einladung Folge, droht dabei aber der Verzweiflung anheimzufallen. Bis er draußen einen jungen Mann hört, der ihn aus der Winterstarre in ein frühlingshaft blühendes Paradies lockt, wo er Gott höchstpersönlich begegnet.
Statt dem von Bachkantaten und Weihrauch umflorten Rauschebart trifft er aber auf eine schwarze Nanny, die ihn mit sanfter Geste in ihre Arme schließt. Mit von der Partie sind Jesus mit Modelfigur und Hipsterbart sowie eine mandeläugig-sanfte Schönheit als Heiliger Geist. Jede Figur im göttlichen Haushalt hat ihre Aufgabe: Papa kocht, backt und hält die Fäden zusammen, der Sohn zimmert in seiner Werkstatt, die Sarayu (Wind) getaufte Weisheit antwortet auf drängende Fragen mit Gleichnissen und Hinweisen.
Als wenig später die Verzweiflung doch wiederkehrt und Mackenzie auf dem See in die Tiefe gerissen zu werden droht, ist Vertrauen gefragt, das ihn an der Seite von Jesus übers Wasser laufen lehrt; in einer düsteren Höhle bestellt ihn eine weitere weibliche, auch physiognomisch als Gerichtsfigur ausgewiesene Frauengestalt zum Richter über Gut und Böse. Und schließlich führt ihn Papa, nun vom knorrig-alten indigenen Schauspieler Graham Greene verkörpert, an den Ort, wo die Leiche seiner Tochter verscharrt liegt. Er soll, so die Aufforderung, dem Täter verzeihen.
Es ist ein kurzer Kampf, bei dem die Kamera auf die sich verkrampfenden Fäuste von Sam Worthington blickt, der als Darsteller so unter- wie überfordert wirkt, weil die Inszenierung von Regisseur Stuart Hazeldine die inneren Kämpfe und Auseinandersetzungen primär in farbenfrohes Dekor und fromme Sinnsprüche überführt. Die Theodizee, die Rechtfertigung Gottes angesichts allen Leids, wird darin ebenso knapp und bündig abgefertigt („Wenn du wüsstest!“) wie die Frage nach einem ewigen Leben oder die Heilung seelischer Traumata. Der Film schwelgt in einem nichtssagenden Meer aus Schönheit und Güte, ohne Nachhall oder Widerstand. Die Wirklichkeit schrumpft darin zur austauschbaren Staffage eines religiösen Bewusstseins, das sich im suggestiven „Gott existiert“-Mantra euphorisch sediert. Die meisten Grundschüler in Deutschland sind da eigentlich weiter.