Ein Vater und sein Sohn reisen nach Norwegen, um den Großvater zu beerdigen. Als sie in dessen Haus ankommen, entspinnt sich ein kurzer Dialog, der ihr angespanntes Verhältnis verdeutlicht. So will der 14-jährige Luis wissen, warum sein Großvater allein in Norwegen lebte, und Vater Michael ringt sich ab: „Der war schon immer so, der war am liebsten alleine.“
Für Luis erklärt dies nichts, denn an einer Beziehung sind schließlich zwei Menschen beteiligt. So bohrt er weiter, fragt, weshalb der Vater den Großvater nie besucht habe, wobei er zugleich hofft, die Ursachen der jahrelangen Funkstille zu enträtseln, die auch zwischen ihm und seinem Vater seit der Trennung der Eltern herrschte. „Wir waren uns nicht sehr nahe“, lautet Michaels lapidare Begründung, was Luis zwangsläufig auf ihre eigene Bindung bezieht, da der Vater auch über sich selbst spricht. Die Antwort verletzt ihn: Wenn sich Michael wie der Großvater selbst genug ist, dann wird sein plötzliches Auftauchen gewiss nicht von Vaterliebe beseelt sein.
Thomas Arslan gestaltet eine beklemmende Vater-Sohn-Geschichte als existenzialistisches Road Movie. Es erzählt vom widerborstigen Eigenbrötler Michael (Georg Friedrich), der in eine Krise gerät, weil er jäh selbst erfährt, dass er nicht jedes Geschehen steuern kann, und was es bedeutet, verlassen zu werden. Der Kontakt zu seinem Vater ist vor langer Zeit abgerissen; er weiß nichts über ihn, und nun ist er tot. Als Michaels Lebensgefährtin ihm eröffnet, dass sie für ein Jahr als Korrespondentin ins Ausland geht, überdenkt er sein Leben und beschließt: Die Beziehung zu seinem eigenen Sohn darf nicht enden wie die zu seinem eigenen Vater.
So reisen beide gemeinsam nach Norwegen, doch statt die Reise zu nutzen, um sich mit Luis (Tristan Göbel) neu zu verbinden, versucht Michael, seine Schuldgefühle loszuwerden und die verpasste Zeit nachzuholen. Während er seinen Sohn in Pfadfinder-Manier „bevatert“, realisiert er nicht, dass Luis auf dem Weg ist, erwachsen zu werden. In dieser Zeit teilt sich die Welt in Jung und Alt, die Eltern werden mit scharfem Blick geprüft, und das Verhalten des Vaters stellt sich als peinlich und selbstmitleidig dar. In Luis schwelen Groll, Wut und Hass; auf keinen Fall will er wie ein Kind bevormundet werden. Lieber mischte er sich unter Gleichaltrige.
Arslan inszeniert dies prägnant, kontrastreich und mit aussagekräftigen Ellipsen. So sitzen Vater und Sohn auf den Vordersitzen im Auto, in der Enge des Zelts oder in einer Hütte; Großaufnahmen und Naheinstellungen fangen ihre Seelenlage ein, die ersehnte und doch zugleich bedrängende Nähe. Draußen hingegen lockt in Totalen die Unendlichkeit der Landschaft mit sattem Grün und dem wechselnden Licht einer nicht untergehenden nördlichen Sonne. Immer wieder flieht der Blick der Kamera nach draußen, auf die sich vor ihnen schlängelnde Straße; man kann die subjektiven Einstellungen unschwer als Spiegel der Gefühlswelt des Vaters deuten.
Unterlegt wird die mit einem tranceartigen, sphärischen Klang, einem schweren, dunklen, verharrenden Ton. Mulmig mag sich der Vater vorkommen, wie hinter Milchglas gesteckt oder in Watte gepackt, seiner Idee überdrüssig, was eindrücklich eine lange Fahrt durch immer dicker wallenden Nebel vor Augen führt.
Zweimal begegnen Vater und Sohn junge Leute. Verführerisch erscheint vor allem eine ausgelassene Gruppe, die sich zu ihnen an einen Strand gesellt. Man hört Technomusik, schwatzt, scherzt und lacht, spielt Fußball bis in die frühen Morgenstunden, während das Gespräch von Vater und Sohn zäh dahintropft oder in Stille erstirbt. Arslan setzt seine Symbolik sparsam ein.
Einmal stehen die beiden reglos vor einer brennenden Hütte, beobachten den Fraß der Flammen, genauso, wie sie tatenlos zusehen, wie ihre Bereitschaft zum gegenseitigen Kontakt mehr und mehr von destruktiven Gefühlen aufgezehrt wird. Erst als Michael schmerzlich am eigenen Leib erlebt, wie sich der Sohn gefühlt haben mag, als er einst die Familie verließ, wendet sich ihr Verhältnis für einen Moment zum richtigen Maß. Arslan findet ein berührendes Bild dafür: In Verkehrung des Aeneas-Mythos schultert der Vater fürsorglich seinen Sohn.