„Kundschafter des Friedens“: Welcher freche Euphemismus für eine Tätigkeit, die eigentlich das Gegenteil meint! In der DDR nannte man so Agenten, die im Ausland spionierten oder im Inland den Ausländern auf die Finger schauten. Das signalisiert eine saubere Arbeit und verbirgt gleichzeitig, dass es in der DDR so etwas wie Spione (und mit ihnen Attentate, Verschwörungen oder Putsche) gegeben haben könnte. Sprache verschleiert, aber wer würde Günter Guillaume, der 1974 den Rücktritt von Willy Brandt verschuldete, ernsthaft als „Kundschafter des Friedens“ bezeichnen wollen?
In der DDR aber gab es Spione, sie leben noch, und sie werden noch gebraucht, und das ist der Ausgangspunkt der Komödie von Robert Thalheim („Am Ende kommen Touristen“,
(fd 38 281)). Erzählt wird die Geschichte von Jochen Falk, früher hochdekorierter Spion der DDR, jetzt desillusionierter Rentner, der mit Schlabberhosen und ungekämmtem Haar am Kiosk Currywurst isst und sein Einkaufsnetz mit Dosenbier füllt. Das Handwerk aber hat er nicht verlernt, was jene BND-Agenten zu spüren bekommen, die eigentlich nur mit ihm reden wollen, dann aber alle Hände voll zu tun haben, um den rüstigen Rentner wieder einzufangen. Ihr Anliegen: In der früheren Sowjetrepublik Katschekistan wurde der zukünftige Präsident entführt, und der betreuende BND-Agent scheinbar Frank Kern gleich mit. Ob Falk nicht helfen könne, schließlich kenne er sich in Katschekistan, seiner ehemaligen Wirkungsstätte, bestens aus. Falk sagt zu, unter einer Bedingung: Seine Kollegen aus alten Tagen müssen mit. Als da wären: Jaecki, der Technik-Freak und Abhörspezialist, Locke, der Logistiker und Geldbeschaffer, Harry, der sich als „Romeo-Agent“ auf die Verführung der Damenwelt spezialisiert hat. Gemeinsam macht sich das Rentnerquartett, unterstützt von Kerns Tochter Paula, auf den Weg nach Osten.
Einmal Spion, immer Spion. Dass es alte Agenten noch draufhaben, bewies Hollywood mit der Actionkomödie „R.E.D.“
(fd 40 137). Diese Abkürzung stand für „retired, extremely dangerous“ – „pensioniert, aber verdammt gefährlich“. So schießfreudig wie bei diesen grauen Panthern geht es hier nicht zu. Die Komik entsteht vor allem durch das Gefälle von Anspruch und Wirklichkeit, den Widerspruch von übertriebenem Selbstbewusstsein und nachlassenden körperlichen Fähigkeiten, die Kluft zwischen Planung und Ausführung. Wenn Henry Hübchen als Falk von einer Brücke auf einen fahrenden Zug springen will, klappt das nicht mehr so wie früher, was Thalheim immer wieder aufblitzen lässt mal albern, mal komisch. Auch wird der Widerspruch zwischen Vergangenheit und Moderne verhandelt. „Der Computer bleibt aus, wir arbeiten analog“, heißt es einmal. Handwerk wird noch groß geschrieben, und „Old School“ bedeutet, dass man auch im Jahr 2017 auf altersbedingte Berufserfahrung nicht verzichten sollte. Gelegentliche Splitscreen-Bilder und ein am Jazz orientierter Soundtrack erinnern an die Spionagefilme der 1960er- und 1970er-Jahre – als liebevolle Hommage, nicht als nostalgische Rückwärtsgewandtheit. Unterschwellig, mit kleinen ironischen Sticheleien geht es auch um den Konflikt zwischen DDR und BRD, um den Mauerfall und seine gravierenden Veränderungen für die Ostdeutschen, um ihre Schwierigkeit, sich in einem anderen Gesellschaftssystem neu zu orientieren. Schließlich sind Spione auch nur Menschen.