Wenn der Vorhang fällt

Dokumentarfilm | Deutschland 2016 | 85 Minuten

Regie: Michael Münch

Dokumentarfilm über die Geschichte des „German HipHop“. Der Filmemacher nähert sich als Außenseiter und lässt sich die 35-jährige Geschichte des HipHop mit deutschen Texten von zentralen Protagonisten erzählen. In drei Kapiteln geht es um die Entdeckung der deutschen Sprache als Medium, um die frühe „Realness“-Debatte, die Professionalisierung und Kommerzialisierung sowie den Streit um den Gangster-Rap. Ungemein kurzweilig und sehr informativ, bisweilen aber auch etwas oberflächlich zeichnet der Film nach, wie sich aus einer kreativen Jugendkultur eine zentrale Säule des Musikgeschäfts entwickelt hat. - Ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2016
Produktionsfirma
Nordpolaris
Regie
Michael Münch
Buch
Michael Münch
Kamera
Heiko Knauer
Musik
Figub Brazlevic · Lucas Wende
Schnitt
Michael Münch
Länge
85 Minuten
Kinostart
30.03.2017
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Dokumentarfilm | Musikdokumentation
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Zorro (16:9, 1.78:1, DD5.1 dt.)
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Doku über die Geschichte des German HipHop

Diskussion
„Wenn der Vorhang fällt / Sieh hinter die Kulissen / Die Bösen sind oft gut / Und die Guten sind gerissen / Geblendet vom Szenario erkennt man nicht / Die wahren Dramen spielen nicht im Rampenlicht.“ Der musikalische Auftakt dieser Musikdokumentation von Michael Münch ist vielsprechend. Der Film nimmt sich ein weiteres Mal vor, nach gut 35 Jahren die Geschichte des German HipHop zu erzählen. Anders als der etwas albern dräuende „Blacktape“ (fd 43 545) beschränkt sich Münch auf Interviews mit Protagonisten der Szene selbst und verzichtet auf eine Rahmenhandlung. Allerdings hat Münch, der sich der Szene als Outsider näherte, „hinter den Kulissen“ auch nicht arg viel entdeckt, was man nicht sowieso schon wissen könnte. Allenfalls lässt sich fragen, ob der Sound des Films ein anderer geworden wäre, wenn Bushido, Haftbefehl oder Kollegah mitgewirkt hätten. Oder Torch, Dendemann und König Boris. „Wenn der Vorhang fällt“ ist in drei Kapitel strukturiert, die von Inkubation, Aufstieg, Professionalisierung und Kommerzialisierung, Generationswechsel, Dissoziation und Konkurrenz handeln und mit einem kurzen Blick in die unaufgeregte, kommerziell erfolgreiche Gegenwart enden. Es beginnt mit der „unschuldigen“ Übernahme der US-Vorbilder mit der anfänglichen „Dreifaltigkeit“ von Graffiti-Kunst, Breakdance und Rap sowie der Entdeckung der deutschen Sprache als Medium beim Rappen und reicht bis hin zum „Realness“-Schisma um den kommerziellen Mainstream-Erfolg des Mittelstands-Rap der Fantastischen Vier. Die Heidelberger Crew von Advanced Chemistry, die zeitgleich auf deutsch zu rappen begannen, aber ungleich politischer („Fremd im eigenen Land“) waren, werden von Toni L. repräsentiert, aber um Politik macht der Film einen Bogen. Anekdotenreich, kurzweilig und im Rückblick erstaunlich entspannt entfaltet er das Bild einer kreativen, potenziell klassenlosen Jugendkultur, deren idealistische Akteure für Jam-Sessions quer durch Deutschland reisen, um ihre Talente und die regionalen Szenen zu repräsentieren. Ging anfangs vieles zusammen, so führten die wachsenden Fertigkeiten der rappenden Musiker zunächst dazu, die „Reinheitsgebote“ der importierten HipHop-Culture zu überdenken. Übereinstimmend erzählen die Rapper der ersten Generation, wie die Breakdancer den MCs bei Live-Performances die Show stahlen. Mitte der 1990er-Jahre führte die „goldene Ära“ des German HipHop mit Namen wie Fettes Brot, Fünf Sterne Deluxe, Freundeskreis, den Stieber Twins, Blumentopf, Absolute Beginner oder Fischmob auf hohem künstlerischen Niveau dann nicht nur zur Kommerzialisierung und einer Begegnung mit der gefürchteten Musikindustrie, was die „Old School“-Attitüde auf die Probe stellte. Die musikalischen wie textlichen Qualitäten riefen auch das bürgerliche Feuilleton auf den Plan, das diese Kunstform einer näheren Betrachtung für legitim erachtete. Hamburg, Frankfurt, Heidelberg und Stuttgart fungierten dabei als Zentren dieser „goldenen Ära“. Der erste Generationswechsel der Szene in den Nullerjahren ist mit Musikern wie Kool Savas, Bushido, Fler und Sido verbunden und wird im Film einmal als eine „Mischung aus französischer Straßen-Rap-Romantik und dem 1980er-Jahre-Marketing-Konzept von N.W.A.“ charakterisiert. Der Gangster-Rap von „Aggro Berlin“, als reines Kunstprodukt designt und von den Akteuren vielleicht sogar selbst missverstanden (wie Punk), führt in seiner erstaunlichen Hegemonie dann allerdings dazu, den Weltverbesserern der ersten Generation in die Suppe zu spucken, weil eben nicht jeder Oldschooler ins Hamsterrad der „Krassheit“ einsteigen wollte. Hier fehlen allerdings entscheidende Protagonisten, abgesehen vom längst geläuterten Sido, der einmal davon spricht, selbst erwachsen geworden und nicht im Alten hängengeblieben zu sein. Wer auch in reiferen Jahren weiter auf „Aggro“ steht, muss sich von Sido fragen lassen: „Hörst du zuhause vor deinen Kindern noch immer die krassen Lieder, die ich damals gemacht habe?“, und Chefket ergänzt: „Der Gangster hört keinen Gangster-Rap. Der hat keinen Bock auf den ganzen Streß. Warum sollte er, der den ganzen Tag Action macht, sich dazu auch noch Songs anhören, die davon erzählen?“ Diese Passage gerät höchst amüsant, weil die ganzen Sprüche und Posen des Gangster-Rap aus einer gewissen Distanz höchst seltsam erscheinen und in ihrer gesteigerten Negativität, Primitivität und Aggressivität auch dem Spirit der HipHop-Kultur zuwiderlaufen. Hat der Gangster-Rap dem Ruf des German HipHop nachhaltig geschadet? Für Sido ist es ausgemacht, dass der Gangster-Rap von der Politik und den Medien als Popanz instrumentalisiert wurde. Und auch dazu führte, dass es ein paar Jahre länger dauerte, bis sich German HipHop als anerkannte Musikform etablieren konnte. Die Gegenwart dieser Musikform ist durch eine erstaunliche Vielfalt charakterisiert, die ideologische Gräben zwischen den unterschiedlichen Szenen weitgehend beseitigt hat. Es gibt mittlerweile Musik für alle Altersklassen und Bildungsniveaus: von Cro über die Antilopen Gang und Haftbefehl bis hin zu den Beginnern und Samy Deluxe. Die Musiker sitzen in Talkshows, sind Teil der Entertainment-Industrie – und ihre Fans längst Ärzte, Anwälte, Architekten oder Kulturredakteure bei der „FaS“. Max Herre rät dazu, zwischen Musikern und denen zu unterscheiden, die lediglich ein bestimmtes Image bedienen. Wurde man früher ausgelacht, wenn man sich als DJ einer German HipHop-Band outete, so gilt man heute längst als Musiker. Mittlerweile, so Smudo von den Fantas, kann man sich längst vorstellen, als Musiker im German HipHop-Segment ähnlich würdig zu altern wie im Jazz, Blues oder Rock. Ab 2040 ist mit Freestyle-Partys im Altersheim zu rechnen. Hoffentlich finden sich dann auch ein paar Damen ein! Im Film selbst sitzt Moses P. zwar vor einem Sabrina-Setlur-Poster, aber sonst herrscht mit Blick auf die Genderquote pures Grauen: Keine Sabrina Setlur, keine Cora E., keine Lady Bitch Ray, keine Schwester Ewa in diesem Film.
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