Die Filmemacherin Clémentine Deroudille porträtiert ihren Großvater, den Fotografen Robert Doisneau (1912-1994), der nicht zuletzt mit seinen Bildern der Hauptstadt Paris Fotografie-Geschichte schrieb. Dank der familiären Nähe gibt der Dokumentarfilm eine Fülle an Einblicken in Persönlichkeit, Lebensweg und Werk Doisneaus., verharrt zugleich aber in einer allzu undistanzierten Haltung, die ihn eher zur Hommage als zum differenzierten Porträt macht.
- Ab 14.
Robert Doisneau - Das Auge von Paris
Dokumentarfilm | Frankreich 2015 | 80 Minuten
Regie: Clémentine Deroudille
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Filmdaten
- Originaltitel
- ROBERT DOISNEAU, LE RÉVOLTÉ DU MERVEILLEUX
- Produktionsland
- Frankreich
- Produktionsjahr
- 2015
- Produktionsfirma
- Day For Night Prod./ARTE France
- Regie
- Clémentine Deroudille
- Buch
- Clémentine Deroudille
- Kamera
- Grégoire de Calignon
- Musik
- Eric Slabiak
- Schnitt
- Marie Deroudille
- Länge
- 80 Minuten
- Kinostart
- 17.08.2017
- Fsk
- ab 0; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 14.
- Genre
- Dokumentarfilm
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Heimkino
Schwärmerische Annäherung an den Chronisten der Stadt der Liebe
Diskussion
Was für ein Moment: Mitten im Stadtverkehr, unbehelligt unter lauter Passanten legt ein Mann seinen Arm um eine Frau und küsst sie impulsiv. Die Szene bleibt allerdings nicht unbeobachtet. Ein Fotograf sitzt zufällig in dem Straßencafé, vor dem die Umarmung und der Kuss geschehen und nutzt die Gunst des Augenblicks zu einem der berühmtesten Fotos überhaupt: „Le Baiser de l’Hôtel de Ville Paris“ (1950).
Der Fotograf Robert Doisneau (1912-1994) hat sich selbst einmal als Flaneur beschrieben, der geduldig auf den richtigen Moment zu warten verstehe: „Meine Fotos gefallen den Leuten, weil sie darin wiedererkennen, was sie sehen würden, wenn sie aufhören würden, sich abzuhetzen. Wenn sie sich Zeit nehmen würden, um die Stadt zu genießen.“ Das ist zwar einigermaßen paradox formuliert, trifft aber zumindest die Tatsache, dass Doisneau alles dafür tat, den eigentümlichen Flair der Stadt – gemeint ist natürlich Paris – zu fixieren und zu dokumentieren.
Bei der ikonischen „Kuss“-Fotografie handelte es sich übrigens gerade nicht um einen Schnappschuss, sondern um eine ausgefeilte Inszenierung. Was der künstlerischen Qualität des Bildes allerdings keinen Abbruch tut. Es sei denn, man wüsste zu unterscheiden zwischen der Abbildung eines „echten“ Kusses und der Abbildung eines inszenierten Kusses. Wie dem auch sei: Doisneau gilt als Chronist der Stadt der Liebe. Eine Auswahl seiner Fotografien war Ende 2016/Anfang 2017 im Berliner Gropius-Bau einmal mehr zu bestaunen. Bei der Filmemacherin Clémentine Deroudille, die die Dokumentation „Robert Doisneau – Das Auge von Paris“ schuf, handelt es sich um die Enkelin des Fotografen. Als Teil der Familie hat sie eine besondere Nähe zu Leben und Werk des Großvaters, kann gewissermaßen einschlägige Anekdoten zum bereits Bekannten liefern und hat zudem Zugang zu denjenigen, die diese Anekdoten aus erster oder zweiter Hand berichten können. So lässt Deroudille die Karriere Doisneaus als Werber, als Hausfotograf von Renault, als allmählich werdender und auch so wahrgenommener Star-Fotograf Revue passieren, was mitunter, weil der Fotograf Familienmitglieder und Bekannte der Familie als Modelle eingesetzt hat, den launig-sentimentalen Charakter eines Dia-Abends im Hause Doisneau annimmt.
Eine kritische Distanz ist unter diesen Bedingungen nur schwer herzustellen, offenbar aber auch zu keinem Zeitpunkt beabsichtigt. Die Dialektik von Nähe und Distanz wird zu keinem Zeitpunkt kritisch reflektiert. Sorglos und mit kindlicher Fröhlichkeit im Off-Kommentar wird die Nähe zum Objekt beschworen, unterlegt von einem musikalischen Soundtrack, dessen Aufgekratztheit man mögen muss. Auch neigt der Off-Kommentar zu psychologisierender Affirmation, wenn es im Zusammenhang mit dem großen Renault-Streik aus dem Jahr 1936 heißt: „Er (d.i. Doisneau) hasste es, die mangelnde Freiheit, die Kultur des Großunternehmers, die Erniedrigung der Arbeiter.“ So erweist sich die unverhohlene Begeisterungsfähigkeit der Filmemacherin als die größte Schwäche eines Films, der zugleich durch den Reichtum des ausgebreiteten Materials und die auf die große Leinwand projizierten Fotografien zu beeindrucken versteht.
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