Es ist nicht alles Gold, was glänzt. Das gilt erst recht für die Goldene Ära Hollywoods. Und auch für das Alterswerk des fast 81-jährigen Woody Allen, das fast nur noch in der Ferne schweift – zeitlich wie räumlich. In „Midnight in Paris“
(fd 40 602) lief das Who`s Who der 1920er-Jahre auf, in „Magic in the Moonlight“
(fd 42 759) bereitete er einem Zauberkünstler im Südfrankreich des Jahres 1928 die Bühne. Und nun stürzt sich „Café Society“ ins Los Angeles der 1930er-Jahre, mitten hinein in die Poolpartys und Leinwandträume der großen Hollywood-Bosse. Einer davon ist Phil Stern. Selbstherrlich sitzt der mächtige Agent in der Holzvertäfelungshölle, die er Büro nennt, und lässt die Namen der ganz Großen in seine Monologe einfließen, als wären sie Nichts. Ginger Rogers, Fred Astaire, man kennt sich, man sieht sich.
Seiner Verwandtschaft gegenüber ist Phil weniger großzügig: Mehrmals wird Bobby Dorfman vertröstet, bevor er bei seinem Onkel vorsprechen darf. Der junge Mann ist gerade der stickigen Bronx entflohen, wo seine jüdischen Eltern schon den Bruder ins Gangsterleben und die Schwester in die Ehe mit einem Existenzphilosophen entlassen mussten. Den Beruf des Vaters, Juwelier, will Bobby nicht ergreifen. Lieber soll Onkel Phil ein paar Strippen ziehen, der den jungen Mann unwirsch an seine hübsche Sekretärin weiterreicht. Wie so viele kam Vonnie nach Hollywood, um Schauspielerin zu werden. Und wie nur wenige gibt sie jetzt vor, sich von Geld und Ruhm abgewandt zu haben. Dass die bodenständige Vonnie ein einfaches Leben anpeilt, macht sie in der Welt der Künstlichkeit für Bobby umso begehrenswerter – aber auch für Phil, der sich als ihr wesentlich älterer Geliebter entpuppt, Vonnie zunächst aber in Bobbys Arme treibt, sich dann aber von seiner Ehefrau trennt und den Neffen auszustechen droht. Bobby sucht sein Heil in der Flucht nach New York, in ein Leben als Impresario eines mondänen Nachtclubs und als Ehemann der schönen, ebenfalls kürzlich verlassenen Veronica, die Vonnie aber auch nicht aus seinem Herz vertreiben kann.
Woody Allen spannt in „Café Society“ gleich zwei gesellschaftliche Panoramen auf, kontrastiert sie, lässt sie zusammenfließen und sich gegenseitig wieder abstoßen. Die schillernden Stars, die Schönen und Reichen, Beverly Hills und Sunset Strip auf der einen Seite. Die Bohémiens, Models und Mobster, also die New Yorks Upperclass auf der anderen. Veronicas blonde Mähne strahlt wie flüssiges Gold. Von Vonnies braunem Bobschnitt scheint immer eine Strähne abzustehen. Eigentlich gehören diese beiden Frauen ins jeweils andere Leben, an die Seite des jeweils anderen Mannes. Genüsslich lässt Allen seine Figuren wieder die Tantalusqualen der zum Greifen nahen Früchte erleiden, während er selbst im Voice Over das Geschehen kommentiert. „Life is a comedy written by a sadistic comedy writer“, bemerkt Bobby einmal, der durchaus als Allens junges Alter Ego durchgehen könnte.
Im Zweifel, ob die Liebe zum Gegenüber nicht von der Liebe zum Unerreichbaren überschattet wird, und in der tragikomischen Beiläufigkeit, mit der das alles erzählt wird, liegt das große vergnügliche Plus des Films, auch wenn die Erzählung etwas fahrig bleibt. Manche Verästelung ist zerbrechlich dünn, Nebenfiguren wie Bobbys Bruder werden fallengelassen, das Aufkeimen der Dreiecksliebe ist vorhersehbar, der Witz zündet nicht immer. Was hingegen glänzt, ist das bernsteinfarbene Licht des Films, das Kameramann Vitorrio Storaro so großartig einfängt und auf die Gesichter der Figuren appliziert. Mal stammt es von Kronleuchtern, mal von der untergehenden Sonne, immer taucht es die Bilder in eine Wärme, die einen gefangennimmt. Und würden die Augen von Kirstin Stewart, Jesse Eisenberg und Blake Lively nicht so schön aufglimmen, wenn ihre Figuren merken, dass eine neue Liebe ihre tief geschlagenen Wunden zu heilen verspricht, dann wäre dieses „Schickeria“-Kaffeekränzchen trotz der prächtigen Ausstattung und Jazzeinlagen wohl eher abgestanden.
„Café Society“ mag im Werk von Woody Allen nicht der am tiefsten schürfende und bei weitem nicht der komischste Film sein. Er ist aber auf jeden Fall der, den er am Schönsten in Szene gesetzt hat.