Ein erfolgloser Hotelbesitzer aus dem verschneiten Norden Norwegens träumt davon, sein Anwesen zum staatlich subventionierten Heim für Flüchtlinge umzubauen, obwohl er gegen Fremde große Vorbehalte hat. Obwohl es vor Ort an allem mangelt, karrt er busweise Menschen aus Nordafrika in die Einöde, stolpert dann aber von einer brenzligen Situation in die nächste. Im Kampf mit den allgegenwärtigen Unbillen entwickelt der eigennützige Helfer eine unerwartete Empathie für die Nöte der Fremden. Die lakonische Komödie besticht durch ihre schnörkellos realistische Machart und eine große Skala tragikomischer Typen, die bis in die kleinste Nebenrolle stimmig besetzt sind und überraschende Charaktereigenschaften offenbaren.
- Ab 14.
Welcome to Norway
Tragikomödie | Norwegen 2016 | 95 Minuten
Regie: Rune Denstad Langlo
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Filmdaten
- Originaltitel
- WELCOME TO NORWAY
- Produktionsland
- Norwegen
- Produktionsjahr
- 2016
- Produktionsfirma
- Motlys/B-Reel
- Regie
- Rune Denstad Langlo
- Buch
- Rune Denstad Langlo
- Kamera
- Philip Øgaard
- Musik
- Ola Kvernberg
- Schnitt
- Vidar Flataukan
- Darsteller
- Anders Baasmo Christiansen (Primus) · Olivier Mukuta (Abedi) · Slimane Dazi (Zoran) · Henriette Steenstrup (Hanni) · Renate Reinsve (Line)
- Länge
- 95 Minuten
- Kinostart
- 13.10.2016
- Fsk
- ab 6; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 14.
- Genre
- Tragikomödie
- Externe Links
- IMDb | TMDB | JustWatch
Eigennütziger Hotelier wandelt sich zum Flüchtlingsfreund. Lakonische Tragikomödie
Diskussion
Wem einem alle Felle davonschwimmen, ist man wohl zu ungewöhnlichen Lösungsansätzen bereit. Primus betreibt im verschneiten Norden Norwegens in dritter Generation ein Hotel. Dass kaum Gäste kommen und das Gebäude sanierungsbedürftig ist, hat in seinen Augen nichts mit ihm zu tun. Schuld ist vielmehr der Süden des Landes, der alle Touristen aufsaugt. Und natürlich die Schweden. Oder die vielen Flüchtlinge, die ihm durch ihre pure Anwesenheit das Geschäft vermiesen.
Auch seine Frau hat die Hoffnung auf eine Besserung längst aufgegeben. Und Tochter Oda hadert mit dem Leben in der menschenleeren Wildnis. Sie kann keine Freundschaften zu Gleichaltrigen aufbauen, weil die kilometerweit entfernt leben. Primus sieht zu Recht seine Existenz bedroht und greift deshalb durch; weil sein Schicksal aber in einer Komödie entschieden wird, sind es ausgerechnet die verhassten Flüchtlinge, die für finanzielle Abhilfe sorgen sollen. Gleich eine ganze Busladung holt er am Bahnhof ab. Ein buntes Gemisch aus Ägyptern, Eritreern, Russen und Syrern, die, kaum angekommen, ihr Revier gegen die Andersgläubigen um sie herum vehement verteidigen.
Primus hofft im Gegenzug dafür, dass er das Hotel in ein Asylzentrum verwandelt, auf staatliche Unterstützung, mit der er die teuren Renovierungskosten decken will. Sein Bezug zu den Flüchtlingen reduziert sich zunächst auf den Deal, den er mit ihrem Leid machen kann. Bevor das Geld allerdings fließt, muss er die Behörden davon überzeugen, dass die Männer und Frauen, die auf die Bearbeitung ihrer Asylanträge warten, bei ihm menschenwürdig „überwintern“ können. Kein leichtes Unterfangen, wenn der Strom ständig ausfällt, kein Geld für die täglichen Mahlzeiten da ist und die anspruchsvollen Schutzbedürftigen ihren neuen Wohnort als „Guantanamo“ verunglimpfen, da in ihren Gruppenzimmern weder Fernseher noch Playstation vorhanden ist.
Immerhin entwickelt Oda kreative Ideen. Sie teilt mit einer Gleichaltrigen aus dem Libanon ihr Zimmer und schreckt auch vor einer gleichgeschlechtlichen Heirat nicht zurück, um ihre neue Freundin vor der Abschiebung zu bewahren. Dass ihr Vater allerdings zu einer strapaziösen Affäre mit einer städtischen Angestellten bereit ist, nur um einen Kredit zu erbetteln, geht dann selbst Oda zu weit.
Man kommt gar nicht dazu, darüber nachzudenken, ob Primus in dem nicht abreißenden Chaos als sympathischer Verlierer oder als Opfer seiner moralfernen Durchtriebenheit anzusehen ist, da der eigennützige Helfer von einer brenzligen Situation in die nächste stolpert und auf seiner auch inneren Sanierungsreise unerwartet eine Art Empathie für die Nöte von Fremden entwickelt, denen das Leben noch übler mitgespielt hat als ihm selbst.
Die Regie und das Drehbuch von Rune Denstad Langlo bestechen durch lakonischen Humor, eine schnörkellos realistische Machart und eine große Skala tragikomischer Typen, die überraschende Charaktereigenschaften enthüllen. Bei aller Last, die den bis in die kleinste Nebenrolle präzise und stimmig besetzten Figuren aufgeschultert wird, gewährt die Inszenierung ihnen immer wieder kleine Triumphe, auch über die eigenen, sorgsam gepflegten Vorurteile hinweg.
Es ist rührend, wie Primus seinem „Lieblingsflüchtling“, ohne den er die heterogene Truppe nicht bändigen könnte, zur Flucht über die Grenze nach Schweden verhilft und dabei mit den Tränen zu kämpfen hat. Das Geschäft mit seinen gereiften Gefühlen hat er hier allemal gewonnen. Einen Schnitt weiter sieht man ihn aus der Vogelperspektive, wie er eine Waschmaschine alleine durch den Hof schleppt. Der Überlebenskampf geht weiter. Die Krise ist längst nicht ausgestanden. Doch selten waren die Versuche einer kleinen Notgemeinschaft, den Schlamassel gegen alle äußeren wie selbstgemachten Widerstände solidarisch zu überstehen, so unterhaltsam.
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