Familie Monster bekommt Zuwachs, und das gleich im doppelten Sinne. Nachdem sich das Monstermädchen Molly Monster und seine liebenswert-schräge Familie beim „Sandmännchen“ als feste Fernseh-Größe etabliert haben, erhalten die inzwischen mehr als 50 Kurzfilme nun eine große Kino-Schwester. Dort dreht sich wiederum alles um die Frage, wann wohl das „Du-weißt-schon-was“ endlich aus seinem Ei schlüpft. Molly ist ganz aufgeregt, als Mama Etna und Papa Popocatepetl alles für die große Reise zur Eierinsel zusammenpacken, wo alle Monster zur Welt kommen. Als Willkommensgeschenk hat Molly eine Pudelmütze gestrickt, damit es das Geschwisterchen gleich schön warm hat. Nur Mollys bester Freund Edison, eine winzige Aufziehpuppe, ist wenig begeistert von dem kommenden Ereignis. Was, wenn Molly künftig nur noch mit ihrem Bruder oder ihrer Schwester spielt?
Mit diesem Plot zoomt der Schweizer „Molly Monster“-Erfinder Ted Sieger nun auch im Kino dicht an die Lebensrealität der Kleinsten heran. Zugleich nutzt er die große Leinwand, um in Co-Regie mit dem Schweden Michael Ekblad (Sluggerfilm) und dem Deutschen Matthias Bruhn (Trickstudio Lutterbeck) sein Monstermädchen auf eine längere Reise zu schicken. Zwar mag Edisons Eifersucht auf die drohende Konkurrenz durch das Geschwistermonster schon groß sein, doch noch viel größer ist Mollys Enttäuschung, als sie nicht zur Eierinsel mitfahren darf. Dafür sei sie noch zu klein, erklären die Eltern. Als sie aber in der Eile Mollys Pudelmützengeschenk liegen lassen, fasst die einen Entschluss: Sie packt die Mütze und den widerwilligen Edison und fährt schleunigst hinterher. Das Baby soll ja nicht frieren.
Wer nun denkt, dass dies eine betuliche Geschichte für jüngste Kinogänger ist, die höchstens die Zielgruppe in Aufregung versetzt, der kennt „Molly Monster“ nicht. Herzensgut und anarchisch wie im Fernsehen, verspielt, chaotisch und beiläufig subversiv, hebelt der Film en passant Klischees und Rollenmuster aus und beweist, dass auch 2D-Animationen etwas zu bieten haben. Der bewährte Wimmelbildstil aus den Kurzfilmen, die übers ganze Bild verstreuten Details, kommt erst im Kino richtig zu Geltung: die unzähligen Aufziehschlüssel, die alle möglichen Gegenstände inklusive Edison zum Laufen bringen, der Krimskrams, der überall herumliegt und der unwirklichen Monsterwelt einen menschlichen Touch verleiht. Bunte Farben, irre Formen und die Animation von Kamerabewegungen sorgen zudem für die Tiefe in den zweidimensionalen Bildern.
Obwohl Mollys abenteuerliche Reise durch die Wüsten Wilden Hügel auf dem Weg zur Eierinsel im Kern vorhersehbar ist – es geht dabei um all die aufkeimenden Konflikte und Emotionen, wenn ein Geschwisterkind geboren wird –, haben Drehbuchautor John Chambers („Molly Monster – Die Serie“) und das Regie-Trio die Handlung einfallsreich ausgemalt. Zwischen infantilen Pups-Witzen, fantasievollen Gags wie einem laufenden Briefkasten oder Kitzelmonstern und dem pädagogischen Aha-Moment bei den zänkischen Brüdern Hick und Hack bilden die unerschrockene, tatkräftige Molly und der skeptisch-ängstliche Edison ein ungleiches, aber effektives Team. Sie verkörpern und verhandeln untereinander all die widerstreitenden Gefühle, Gedanken und Ängste, denen nicht nur Kinder in unbekannten Situationen ausgesetzt sind. Helfen oder weitergehen, lautet etwa die Frage, als Molly und Edison tief in den Bergen ein unerklärliches Weinen hören. Sie führen vor, wie Empathie funktioniert, entscheiden sich fürs Helfen und treffen auf ein Riesenmonsterbaby, mit dem sie dann „gemeinsam allein“ sind.
Mollys Eltern zeigen indes, wie selbstverständlich sich Geschlechterrollen verkehren lassen. Während der Vater auf einem sehenswert zusammengeschusterten Autoanhänger das Ei ausbrütet, bringt die Mutter die Familie vorwärts. Wie erfrischend Filme sind, die Klischees aushöhlen, zeigt sich auch an Mollys Stimme. Nicht kindlich piepsig, sondern rauchig und charismatisch lässt die Schauspielerin Sophie Rois das süße Monstermädchen sprechen und macht das Hinhören zum Erlebnis. Besonders hörenswert: das Trostlied für das Riesenmonsterbaby. Überquellend vor Kreativität und mit viel Menschlichkeit beweist der Film, dass es sehr gut möglich ist, eine altbekannte Geschichte so aufzubereiten, dass sie weder abgedroschen noch bemüht wirkt. Im Gegenteil: Die Ankunft eines Geschwisterchens wird so neu und frisch erzählt, wie junge Kinder sie erleben.