Vor mehr als vier Jahrzehnten plante der italienische Horrorfilm- und Giallo-Regisseur Mario Bava (1914-1980) ein makabres Road Movie. Die Geschichte drehte sich um eine Gruppe Räuber, die neben ihrer Beute auch noch mit einer unbeteiligten Frau sowie einem Vater mit seinem kranken vierjährigen Kind in einem unauffälligen Fahrzeug fliehen. Zwei der drei Täter zeichnen sich durch latente Gewaltbereitschaft und eine große Portion Menschenverachtung aus, was besonders die attraktive Frau auf der Odyssee durch die ländliche Einöde zu spüren bekommt.
Nach einem ersten Rohschnitt machte Bavas Produktionsfirma pleite, der Film wurde auf Halde gelegt und blieb unveröffentlicht, bis Hauptdarstellerin Lea Lander einen Vorstoß zur Klärung der Rechtslage startete. 1997 kam „Cani Arrabbiati“ vornehmlich in Italien in die Kinos; fünf Jahre später kam ein „Producer’s Cut“ mit neuer Filmmusik und nachgedrehten Szenen unter Leitung von Bavas Sohn Lamberto Bava und seinem Enkel Roy Bava unter dem Titel „Kidnapped“ auf den US-amerikanischen Markt. Bava selbst erlebte die Wendungen um den Film, den es auch in anderen Fassungen gibt, nicht mehr, er starb 1980. Schließlich feierte „Cani Arrabbiati“
(fd 44 032) unter dem Titel „Wild Dogs“ seine verspätete, aber angemessene Premiere. Die nachgedrehten Szenen flogen wieder heraus, die ursprüngliche Musik wurde neu eingesetzt, und die restaurierte Fassung erstrahlt im Geiste Mario Bavas in bester HD-Verfassung. So kommt ein grimmiger Hardboiled-Krimi mit Kanten, derben Sprüchen und latenter Frauenverachtung zum Vorschein, unter dessen rauer Oberfläche ein Psychothriller glitzert, bei dem die grotesk überzeichneten Bösewichter lediglich Statisten für ein Spiel mit dem Makabren sind.
„Die Dinge sind nie so, wie sie zu sein scheinen“, meint der augenscheinliche Vater des Kindes in „Wilde Hunde – Rabid Dogs“, dem frankokanadischen Remake von Bavas Giallo-Thriller, in dem der talentierte Regisseur Éric Hannezo das grimmig-zynische Sujet der Vorlage in atemberaubend elegante Bilder verpackt. Geschickt lässt er unsinnig erscheinende Nebenstränge weg, erweitert ein dramatisches Intermezzo in einer bizarren Redneck-Siedlung, in das die Flüchtigen schlittern, und lässt sich viel Zeit für atmosphärische Interaktionen zwischen den Gegenspielern Guillaume Gouix, dem Chef der Bankräuber, und Lambert Wilson als Vater. Der lediglich im Finale leicht abgemilderte Film bietet eine brillante, passend aufgefrischte Neuinterpretation des geschundenen Bava-Originals.
Während „Wilde Hunde – Rabid Dogs“ auch als Einzelfilm vorliegt, ist das restaurierte Original nur in einer exklusiven „Limited Edition“ zusammen mit dem Remake erhältlich. Das hochwertig gestaltete Mediabook vereint zwei Blu-rays und drei DVDs zum Gesamtpaket. Neben einem deutsch untertitelten Audiokommentar von Tim Lucas und einer 15-minütigen Einführung in den restaurierten Klassiker von Marcus Stiglegger besticht die Bonus-DVD u.a. mit einem 90-minütigem „Making of“ zum Remake. Abgerundet wird die mustergültige Edition durch ein 40-seitiges Booklet mit Aufsätzen zur Restauration sowie zu George Eastman, dem Oberbösewicht des Originals. Einzig die Export-Version „Kidnapped“ fehlt; sie findet sich als Bonus nur auf der in England erschienenen Blu-ray von „Cani arrabbiati".