Alles dreht sich um Ablenkung. Das ist die Erkenntnis, die der CIA-Agent Sean Briar aus den Ereignissen vor dem Bastille-Tag zieht, und das ist die Prämisse, unter der der Taschendieb Michael Mason seit jeher arbeitet. Briar und Mason, das sind Idris Elba und Richard Madden, die hier gegeneinander gesetzt werden um ein Buddy-Movie mit möglichst konträren Figuren zu bestücken. Das machen die beiden Darsteller so hingebungsvoll, dass sie anfangs kaum ins selbe Bild passen.
Denn zu Beginn ist Mason auf der Flucht vor Briar. Er ist normalerweise nicht der Mann, der auf dem Radar des CIA erscheinen würde, auch dann nicht, wenn er nackte Mädchen über die Treppen von Sacré-Coeur schickt, um all den Abgelenkten ihre Brieftaschen zu klauen. Aber Mason hat bei einer Diebestour eine Tasche mit einer Bombe erwischt, die ihm fast unter den Händen explodierte. Und Bomben sind das Geschäft von Briar.
So beginnt eine Jagd durch Paris, in deren Verlauf noch ganz andere bewegliche Ziele verfolgt werden – Banker, Demonstranten, Politiker, linke Aktivisten, Elitepolizisten, und ein Mädchen, das die Orientierung verloren hat. Man sieht die Stadt häufig in Totalen von oben, weil womöglich nur so der Überblick über die vielen Geschichten gewahrt werden kann. Vorerst aber hat Mason ein paar atemlose Stunts mit Briar: beispielsweise auf den Altbauten von Paris, wo man merkt, wie elend hoch diese sind, wie steil und rutschig ihre Dächer. Wenn es der Film darauf anlegt, als gerieten seine Protagonisten wirklich in Lebensgefahr, gelingt ihm das glänzend, sogar dann, wenn er sich in die Enge von Nahkämpfen verlagert. Was ebenfalls zum Realismus beiträgt, ist die Abwesenheit von Pomp: wenig Hubschrauber, viel Beinarbeit.
Natürlich fängt Briar den Taschendieb, natürlich beweist der ihm seine Unschuld, also suchen sie gemeinsam nach Hintergrund und Zweck der Bombe. Das Schönste daran ist, wie Mason zeigt, dass Trickdiebstahl die Polizeiarbeit eigentlich unnötig macht: Man kommt viel leichter an Informationen, wenn man den Verdächtigen einfach den Ausweis klaut. Nicht minder schön ist allerdings Briars Irritation darüber, dass auch etwas anderes als Kraft einen Gegner bezwingen kann.
Nachdem also allerlei Professionalität bewiesen wurde, schnappen die beiden sich die Frau, in deren Tasche die Bombe war. Schnell stellen sie fest, dass sie nicht die einzigen sind, die daran ein Interesse haben. Dank der Bombenlegerin finden sie sich in einer umfassenden Intrige wieder, für die alles instrumentalisiert wird, was eine Großstadt an Bedrohung hergibt: die Gefahren des rechten, des linken, des staatlichen und des islamistischen Terrors, plus die sozialen Medien, die alle Ängste potenzieren. Trotzdem liegt die Ursache aller Aktionen dann da, wo sehr viel Geld liegt – das ist für das Genre keine neue Erkenntnis, aber der Gedanke der Ablenkung gewinnt hier eine neue Dimension.
Regisseur James Watkins umgeht keineswegs die Klischees des Actiongenres, aber er zeigt sie auf einem ziemlich aktuellen Niveau. Der Umstand, dass das Drehbuch aus dem Jahr 2012 stammt, führt allerdings zur Frage, wie unterhaltsam solche Action in einer Stadt sein kann, in der im Mai gerade der Ausnahmezustand um weitere zwei Monate verlängert wurde. Andererseits tun Actionfilme traditionell wenig anderes, als dass sie die Fiktion möglichst nah an die Realität heranführen, um deren Gefahren letztlich zu besiegen. Darin liegt das Vergnügen im Kino, und das wird in „Bastille Day“ zusätzlich mit einer sehr heldenhaften Rolle der Pariser Bevölkerung bedient.