Eine elegante Dame thront auf einer Bank. Bis die Kamera aus dem historischen Foto herauszoomt. Einsam und verloren sitzt Peggy Guggenheim (1898-1979) plötzlich in einem Raum voller imposanter Kunstwerke. Und sieht sich fast unweigerlich mit der Frage konfrontiert, ob sich hinter der mondänen Frau in Wahrheit nicht ein „little girl“ verbarg?
Dabei hat die 1979 verstorbene Kunstsammlerin zeitlebens die Wahrnehmung ihrer berühmten Persona gesteuert. In den verschiedenen Fassungen ihrer Autobiografie „Out of this Century“ plaudert sie in locker-saloppem Ton über ihre Sammelleidenschaft, die nicht nur der modernen Kunst galt. Gleichzeitig erfand sie sich darin selbst als Kunstwerk. Guggenheim stilisierte sich zur Sammlerin und Jägerin: eine androgyne Gestalt, die bis heute fasziniert, weil sie es verstand, männliche und weibliche Eigenschaften in einer Person grandios zu vereinen. Vergeblich warnte ihr Berater Herbert Read davor, sich als „stürmische Verführerin“ ins Gedächtnis zu schreiben. Gleichwohl ist ihr mit den zahlreichen Anekdoten und Würdigungen nicht beizukommen. Peggy Guggenheim blieb trotz ihrer freizügigen Enthüllungen eine „rätselhafte Sphinx“.
Die Gefahr ist groß, der Sammlerin nur auf der von ihr selbst ausgelegten Spur zu folgen. Kann eine Dokumentation überhaupt noch neue Facetten ihrer Figur freilegen? Oder lässt sie sich von einem polierten, glamourösen Schutzschild blenden? Die Kunsthistorikerin Lisa Immordino Vreeland hat das heikle Unterfangen gewagt, auch weil sie bei ihren Recherchen auf unbekannte Aufnahmen der Guggenheim-Biografin Jacqueline Bograd Weld mit der Mäzenin stieß. Vreeland nutzt die O-Töne als Grundlage, um hinter der öffentlich inszenierten Maske einen „sensiblen und temperamentvollen Charakter“ aufzuspüren.
Der Film geht chronologisch vor und orientiert sich an Welds Biografie, beginnend mit der Kindheit in einem großbürgerlich-jüdischen Elternhaus. Ihre Mutter empfand Peggy Guggenheim als kalt, ihren Vater aber liebte sie abgöttisch und eiferte dessen Lebensweise nach. Allerdings kam er beim Untergang der Titanic zu Tode und stürzte die Tochter in eine schwere Depression. Auch weitere Schicksalsschläge blieben ihr nicht erspart. Sie trennte sich von ihrem ersten Mann, mit dem sie zwei Kinder hatte. Ihr zweiter Mann, John Holms, dessen geistige Brillanz sie geradezu bannte, starb bei einer Operation.
Paris, London, New York, Venedig waren die Schauplätze ihres Wirkens, an denen sie sich ihren Ruf als Galeristin und Sammlerin erwarb. Um die damalige Atmosphäre und ihren Zeitgeist einzufangen, werden historische Filmaufnahmen einbezogen, untermalt mit der diesen Orten typischerweise zugeordneten Musik. Die schnelle Abfolge von Familienfotos, Aufnahmen der angekauften Kunstwerke und ihrer Schöpfer, dazwischen montierter O-Töne von Künstlern, Experten und Größen des Kunstmarktes vermitteln die sie prägenden Kunstströmungen. Sie stellen zugleich aber auch die Hast, Unruhe und den Glamour eines von Leidenschaft getriebenen Lebens nach. Durch die häppchenweise verabreichte Kulturkost verfällt der Film in Guggenheims Plauderton und lässt eine profundere Analyse vermissen, die sich inhaltlich auf ihre Sammlung einlassen würde.
Der Film inszeniert Peggy Guggenheim als „Brückenfigur“. Einerseits war sie als „art addict“ noch ganz traditionell einem Konzept verbunden, das Kunst nicht als Anlage- oder Spekulationsobjekt benutzte. Andererseits nahm sie mit der spektakulären Eröffnungsausstellung ihrer New Yorker Galerie „Art of this Century“ medienwirksame Kunstevents vorweg. Das auf diese Weise modellierte Bild Guggenheims kolportiert das Klischee, dass eine Sammlerin ihre Entscheidungen eher auf „Intuition“ und nicht wie männliche Sammler auf Sachverstand und ein kunsthistorische Bildung stützt. Guggenheim jedoch ist ein Kind des 20. Jahrhunderts, sie wurde 1898 in eine Zeit hineingeboren, in der sich Frauen den Zugang zur Bildung und den Universitäten erst eroberten. In ihren Memoiren weist sie darauf hin, dass ihr zuhause Kunstunterricht von einer Privatlehrerin erteilt wurde und sie ihre radikalen Gedanken der gewerkschaftsbewegten Lucile Kohn verdanke. Wie viele andere begab sie sich auf Bildungsreise nach Europa. Sie besaß eine Bibliothek und sorgte 1948 auf der Biennale in Venedig dafür, dass ihre Sammlung mit kunsthistorischen Vorträgen flankiert wurde. Sie selbst las die Schriften des amerikanischen Kunsthistorikers Bernard Berenson über die Kunst der italienischen Renaissance und prägte sich dessen Kriterien ein. Aus ihrem Urteil spricht der Sinn für Form, Komposition und für Farben. Zudem umgab sie sich mit einflussreichen Kunstexperten. Allerding scheint es immer noch ehrenrührig, dem kunsthistorischen Sachverstand Peggy Guggenheims auf den Grund zu gehen, ihren kulturellen Wertvorstellungen und den Auswahlkriterien ihrer Sammlung. Das hätte vielleicht das abschätzige Urteil, ihre Sammlung sei eine „typische Auswahl einer reichen Amerikanerin“ revidiert. Oder zu einer Auseinandersetzung mit dem damaligen amerikanischen Kunstmarkt geführt, auf dem zunächst Sammlerinnen wie Katherine Dreier agierten, die von Marcel Duchamp beraten wurde, Abby Aldrich Rockefeller oder Galka Scheyer. Inwiefern positionierte sich Peggy Guggenheim ihnen gegenüber? Hierüber mehr Aufschluss zu erfahren, steht weiterhin aus.