Als Remake von Jacques Derays Klassiker »Der Swimmingpool« aus dem Jahr 1969 mit dem Titel von David Hockneys berühmtesten Gemälde aus dem Jahr 1967 scheint Luca Guadagninos vierter Spielfilm direkt in die Spiegelhallen der allgegenwärtigen Retrokultur zu führen.
Den Plot übernimmt die Neuverfilmung weitgehend vom Original: Marianne und Jean-Paul verbringen den Sommer im luxuriösen Anwesen von Freunden am Meer. Die meiste Zeit liegt das Paar am großen Pool im Garten der Villa. Überraschenderweise kommt Harry, ein alter Freund der beiden und ehemaliger Liebhaber von Marianne, mit seiner gerade volljährigen Tochter Penelope zu Besuch. Mit der Ruhe ist es fortan dahin. Alte emotionale Wunden brechen auf, sexuelle Begierden entflammen und führen zu Spannungen zwischen den vier. Die Hitze, viel freie Zeit und Alkohol tun ihr übriges. Am Ende liegt eine Leiche im Pool.
Die zunächst auffälligste Änderung im Remake betrifft das Paar im Zentrum des Films: Während Mariannes Beruf im Original keine Rolle spielt, wird aus ihr im aktuellen Film eine weltberühmte Rockmusikerin mit androgyner Aura irgendwo zwischen Chrissie Hynde und David Bowie. Auch die Wahl der Darstellerinnen könnte kaum unterschiedlicher sein: Wurde Marianne in »Der Swimmingpool« von Romy Schneider gespielt, besetzte Guadagnino die Hauptrolle mit seiner Lieblingsschauspielerin Tilda Swinton.
Die Spannung entstand in Derays Film auch durch das Casting. In »Swimmingpool« stand Schneider zum ersten Mal seit ihrer Trennung wieder zusammen mit Alain Delon vor der Kamera. Ein Umstand, der nicht nur für die Werbung ausgenutzt wurde, sondern sich auch im Spiel der beiden widerzuspiegeln scheint. In »A Bigger Splash« wird Paul – das Jean ist weggefallen - vom Belgier Matthias Schoenaerts verkörpert, der trotz seiner hypermännlichen Statur eher wie ein fast unterwürfig-bäriges »boytoy« für Marianne wirkt. Er strahlt jedenfalls nichts vom eiskalten Machismo Delons aus.
Ralph Fiennes und Dakota Johnson als Harry und Penelope kommen der Originalbesetzung näher: Wobei die Mittzwanzigerin Johnson erwachsener wirkt als die während der Dreharbeiten von »Swimmingpool« erst 20-jährige Jane Birkin – was Penelopes Flirt mit Paul etwas an Skandalpotential nimmt. Ralph Fiennes interpretiert die Rolle von Harry noch extrovertierter als Maurice Ronet im Original. Sein etwas heruntergekommener Musikproduzent ist die vielleicht dankbarste Rolle im Quartett: Fiennes kann hemmungslos die britische Distinguiertheit hinter sich lassen, die ihm sonst so häufig abverlangt wird. Er spielt eine Figur, die selbst spielt, die alle um sich herum aus ihrer Komfortzone zerrt, immer das Drama sucht und nie die Klappe hält. Eine Tour de Force für Fiennes, die er bravourös meistert.
So seltsam unausgeglichen die Besetzung wirkt, so wenig harmonisch erscheint auch Guadagninos Inszenierungsstil. Die bisweilen blitzartigen Zooms, Schwenks und Fahrten erinnern stilistisch an die späten 1960er-Jahre, aber weniger an Derays zurückhaltendere Eleganz. Hinzu kommt der auffällige Einsatz ganz unterschiedlicher Musiken: Rolling Stones, LCD Soundsystem, Verdi werden teilweise kommentierend, teilweise bewusst als Störfaktor eingesetzt. Im Original nicht vorhandene Rückblenden unterbrechen zudem immer wieder die Handlung, um die Verhältnisse der Figuren zueinander zu klären.
David Hockneys Gemälde »A Bigger Splash« zeigt nur wenige Elemente in ganz einfacher Malform: einen Pool mit Sprungbrett, ein Haus, einen Stuhl, zwei Palmen, etwas Gras und die Spritzer von einem Menschen, der gerade ins Wasser gesprungen ist. Es sei ihm um die Stille des Bildes gegangen, hat der Brite einmal gesagt. Das Gemälde passt viel besser zu Derays minimalistischem Film mit seiner köchelnden Spannung als zu Guadagninos lauterem und unebenem Remake. Die Anspielung auf die Kunstgeschichte ist also vielleicht nur eine falsche Fährte, die der Italiener gelegt hat. Denn in der zweiten Hälfte drängt sich tatsächlich immer stärker eine ganz andere Lesart des Titels auf.
Dabei kommt dem geänderten Handlungsort eine große Bedeutung zu: Spielte »Swimmingpool« an der Côte d’Azur, verlegt »A Bigger Splash« die Geschichte auf die Insel Pantelleria südlich von Sizilien. Ähnlich wie auf dem nicht weit entfernten Lampedusa landen hier seit einigen Jahren regelmäßig Flüchtlingsboote aus Afrika – oder gehen vor der Küste unter. Davon erzählt »A Bigger Splash« zunächst nur durch eine beiläufig eingestreute Radionachricht aus dem Off. Doch die Flüchtlingskrise erhält am Rande der Erzählung immer mehr Raum. Auf dem Weg zum Meer begegnen Paul und Penelope einmal einer Gruppe Afrikaner, die sich in der Wildnis verstecken. Im Dorf vor der Polizeistation sind Flüchtlinge auf einem abgezäunten Basketballplatz zu sehen. Und der örtliche Kommissar erzählt Marianne, dass er sich nicht mit voller Energie um den Toten in ihrem Pool kümmern kann, weil in der letzten Nacht sieben Flüchtlinge vor der Insel ertrunken sind.
Nicht die zunächst eitlen und egozentrischen, später kriminellen Handlungen rund um den Swimming Pool der Villa sind also der »bigger splash«, sondern die Tausende von toten Flüchtlingen im Mittelmeer, legt Guadagnino ziemlich deutlich nahe. Diese Wendung ins Tagespolitische soll offenbar sein Remake legitimieren. Aber bringt sie wirklich einen Gewinn? Derays Film nach einem Drehbuch von Jean-Claude Carrière ist in seiner Darstellung einer selbstverliebten, amoralischen Bourgeoisie nicht weniger gnadenlos; er bleibt dabei aber gerade durch seine Abstraktion, seinen fehlenden Kontext in einer verunsichernden Schwebe. Guadagnino und sein Drehbuchautor David Kajganich hingegen setzen auf eine klar adressierte Moral, die dem Film Kraft raubt. Anders formuliert: Sie wirbeln zwar viel Wasser auf, aber die Oberfläche des Pools wird sich schnell wieder glätten, so als sei nichts geschehen.