In groben Strichen entsteht die Skizze einer Welt in „naher Zukunft“, Arme und Reiche, Fürsten, Priester und Apostel, weiße Polohemden und dunkle Trenchcoats, die Guten und die Bösen, dazwischen durchschaubare Ambivalenzen (Petrus und Judas). „Ich bin der Aufstand“, sagt Jesus von Nazareth. Dokumentarische Bilder von Straßenkämpfen schneiden in die Erzählung, Rauch, Brandsätze, herumrennende Menschen, Chaos, emporgereckte Arme, brennende Autos, bewaffnete Polizisten. Wo und für was hier gekämpft wird, spielt keine Rolle. Die Bilder schreien „Aufstand“ und werden spekulativ mit der Passion Christi verknüpft. Einmal wird der gekreuzigte Jesus mit der Revolution auf den Straßen überblendet, die Masse formt seinen Körper, die gespreizten Arme wie riesige Schwingen.
„Jesus Cries“, nennt sich eine „moderne Adaption der Geschichte von Jesus von Nazareth“ in der Inszenierung von Brigitte Maria Mayer. Modern ist indes nicht mal der Look. Die Ästhetik erinnert ein wenig an „Matrix“
(fd 33 720), sofern das geringe Budget eine so steile Vorlage überhaupt zulässt: fahle Gesichter, harte Kontraste, viel Schwarz, künstliche, punktuell eingesetzte Farben, ein Touch Cyberpunk. Alles gekünstelt und erschreckend kunstlos. Es gibt Anspielungen zu Folter, SM, zu Homoerotik – auch das spekulativ, aus simplen Zeichen zusammengezimmert.
Die Geschichte ist ansonsten bekannt. Keine Station fehlt, nicht die Verleugnung, der Verrat, das Abendmahl, der Kreuzweg. Jesus weint. Er schreit und zittert und spuckt und blutet (nicht zu knapp), die Jünger sitzen im Keller und hadern mit sich und der Welt, zweifeln und glauben dann doch, irgendwie. Vergeblich sucht man in all dem leeren theatralen Gewitter und dem hochartikulierten Deklamations-Sprech nach Meta-Ebenen, revisionistischen Perspektiven, nach Hinweisen auf ein hintergründiges Re-Enactment oder auch nur dem Funken einer Idee.