Dokumentarfilm | Deutschland 2015 | 84 Minuten

Regie: Matthias Koßmehl

Ein Berchtesgadener Traditionshotel beherbergt seit zwei Jahren Menschen aus Syrien, Afghanistan und Sierra Leone, die in Deutschland Asyl suchen. Mit einem grundoptimistischen Blick beobachtet der Dokumentarfilm das interkulturelle Miteinander unter Leitung der Inhaberin, wobei er vor allem auf das Zusammenleben unter den Bedingungen des Wartens abhebt und die Vorstellungen von Heimat als höchst subjektives Konzept enthüllt. Ein angenehm "bescheidener" Beitrag zur Debatte um Asyl und Integration fern von jeder Empörungsrhetorik, aber auch ohne Welterklärungsdrang. - Sehenswert ab 12.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2015
Produktionsfirma
Koßmehl Filmprod./BR
Regie
Matthias Koßmehl
Buch
Matthias Koßmehl
Kamera
Bastian Esser
Musik
André Feldhaus
Schnitt
Andreas Nicolai
Länge
84 Minuten
Kinostart
31.03.2016
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 12.
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
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Wie die "fesche Wirtin" Flora ihr Herz für Flüchtlinge entdeckte

Diskussion
Ein Stammgast will fast auf dem Absatz umdrehen. Aus den offen stehenden Fenstern schallen fremdartige Klänge, und auch die Menschen auf der Terrasse sind mit Touristen kaum zu verwechseln. Das Traditionshotel in Berchtesgaden, in alten Anzeigen als Pensionsbetrieb beworben, ganzjährig geöffnet und in „staubfreier Höhe, direkt am Wald“, hat als Oase für Heile-Welt-Bedürfnisse ausgedient. Anstelle der alten Attraktionswerte – die spektakuläre Bergkulisse des Watzmann und das triviale Geplänkel der Touristen – sind Geschichten gerückt, die sich mit Zerstreuung und Erbauung nur schlecht vertragen. Seit zwei Jahren beherbergt das Café Waldluft unter der Führung der grundgütigen Inhaberin Flora, die einmal als „fesche Wirtin“ betitelt wird, mehr als 30 Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan oder Sierra Leone, die in Deutschland Schutz und eine neue Heimat suchen. Flora wird von ihnen respektvoll „Mama“ genannt. In der Küche gart der Basmati-Reis auf dem Herd, die rotwangige Wirtin schiebt einem schwarzen Jungen ein Stück Kalbswurst in den Mund, Abends wird gemeinsam „Nomaden der Lüfte“ (fd 35 329) angeschaut. Der Dokumentarist Matthias Koßmehl schaut grundoptimistisch, wenn auch nicht idealisierend auf dieses inmitten von bayerischen Umzügen und Touristenbusladungen situierte transkulturelle Nebeneinander. Anfangs sei es noch „a bisserl exotisch“ gewesen, erzählt Flora, unschöne Anrufe habe es gegeben, man kann es sich ausmalen. Koßmehl aber sucht nicht die Konfrontation mit der erhitzten Stimmungslage, die derzeit fast jede Flüchtlingsdebatte bestimmt. Sein Blick gilt vielmehr dem Zusammenleben unter den Bedingungen des Wartens – auf Papiere, Genehmigungen, auf das Wiedersehen mit den entfernt lebenden Familien. Zugleich umkreist der Film durch die verschiedenen Biografien hindurch den Heimatbegriff als höchst subjektives und bewegliches Konzept. Interessant wird es, weil die Geschichten von Hamshid und Hardy, die jeder auf seine Weise unter starkem Heimweh und Einsamkeit leiden, neben denen der Österreicherin Flora und der aus Ostdeutschland stammenden Maria stehen. Die Köchin kann sich selbst noch gut an die abschätzigen Blicke nach dem Mauerfall erinnern. Inzwischen hat sie, die immer noch breit sächselt, in den bayerischen Bergen ihr Zuhause gefunden. Viele Jahre hat sie im Café Waldluft bedient und ein schönes Trinkgeld bekommen – „das ist jetzt alles futsch“. „Café Waldluft“ ist ein angenehm „bescheidener“ Beitrag zur Debatte um Asyl und Integration – ohne Empörungsrhetorik, ohne den Tonfall der Welterklärung. Allerdings streift der Film seinen Gegenstand eher, als dass er ihn wirklich durchdringt. So offenherzig Koßmehls Perspektive auch ist, Präzision ist seine Sache nicht. Manche Beobachtung gerät etwas schlicht, etwa der wiederholte Blick auf das Interieur aus Eckenkreuz, Haussegen-Stickereien und Kuckucksuhr; manchmal auch fehlt das Gespür für den passenden Raum einer Geschichte (wie der schier in die Erzählung platzende dramatische Bericht eines syrischen Geflüchteten über Gefängnis und Folter). Die heile Welt, der so mancher Gast nachtrauert, ist, so stellt sich heraus, das Café Waldluft indes nie gewesen. Einmal erzählt Flora von der bewegenden Geschichte des Hauses: der frühere Eigentümer floh vor den Nazis nach Amerika, der Schwiegervater kaufte das Anwesen, nachdem er aus seinem früheren Hotel am Obersalzberg ausquartiert worden war. Während des Zweiten Weltkrieges war die Waldluft eine Station für die Kinderlandverschickung. Die Fassade des Hauses ziert ein Wandgemälde, es zeigt Kriegsszenen.
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