Sie kamen nachts, als Nakatya mit ihren Kindern allein zuhause im Schlaf lag, und brachen gewaltsam in ihre Hütte ein. Mit vorgehaltenem Gewehr wurde Nakatya gefügig gemacht, gefesselt und ins Freie geschleift. Mit harten Gesten unterstreicht Nakatya in ihrer Hütte die unerträglichen Erinnerungen. Im kongolesischen Bürgerkrieg wurde sexuelle Gewalt gegen Frauen gezielt eingesetzt. Damit sollte das Leben der Frauen zerstört werden. Bis heute fürchten sich viele vor Übergriffen der Rebellen, wenn sie sich nach Sonnenuntergang noch auf die Straße wagen.
Die Dokumentaristin Claudia Schmid, die bisher eher Filme über Künstler machte, hat in den Dörfern der kongolesischen Provinz Süd-Kivu Frauen aufgesucht, um mit ihnen über ihre brutalen Erlebnisse, darunter Kannibalismus, erzwungene Tötung anderer Gefangener oder erzwungener Inzest, zu sprechen und den psychischen und sozialen Folgen nachzuspüren. Frauen, die von Rebellen vergewaltigt wurden, werden von ihren Ehemännern oft als „Hutu-Frauen“ verstoßen und damit ins soziale Abseits gedrängt. Mit der Sozialarbeiterin Thérèse und der katholischen Menschenrechtsinitiative „Justice and Peace“ gibt es inzwischen aber auch Hilfe zur Selbsthilfe. Nakatya ist eine von denen, die bereit waren, ihr unermessliches Leid zu vergegenwärtigen. Die Protagonistinnen hoffen, dass es auf diese Weise gesellschaftlich gehört und öffentlich bestätigt wird. Sie wollen endlich Gerechtigkeit, indem die Täter bestraft werden.
Die Regisseurin ihrerseits will herausfinden, wie die Strukturen der Gewalt funktionieren. Dafür hat sie die Form eines persönlichen Berichts gewählt und erzählt aus der Ich-Perspektive mittels Voice-Over. Sie führt die Ohnmacht der Frauen auf die patriarchalischen Geschlechterverhältnisse zurück, welche das Land bis tief in seine Institutionen hinein prägen. Ihr Film nimmt deshalb seinen Ausgang bei den erschütternden Schilderungen der Frauen, um in einem zweiten Schritt die Stellung der Geschlechter unter die Lupe zu nehmen. Dazu werden zwei Offiziere befragt, die auch Regierungssoldaten, Priester und Lehrer als Täter benennen. Sie verweisen zwar auf die strengen Gesetze, doch nur die wenigsten Frauen trauen sich, diese in Anspruch zu nehmen. Wie begrenzt der weibliche Spielraum ist und welche religions- und traditionsgestützten Rollenbilder dominieren, erfährt die Filmemacherin auf der Straße. Frauen gelten als Besitz ihrer Männer, denen sie sich zu unterwerfen haben.
Die große Kraft von „Voices of Violence“ resultiert aus den Interviews. Die Regisseurin schafft einen geschützten Bildraum, in dem die Frauen ihre schrecklichen Erinnerungen preisgeben können. Die Konzentration liegt dabei ganz auf den erzählenden Frauen. Mit ihrer bunten Kleidung heben sie sich von den meist braunen Wandflächen oder der natürlichen Umgebung ab, werden aber zugleich davon auch gehalten. In dieser Spannung von langsamem Rhythmus und innerer Bewegtheit spiegelt sich das Leben der Protagonistinnen.
Im Kontrast dazu steht die Situation von Frauen in einem UN-Flüchtlingscamp. Einstellungen von gedrängten Plastikzelten, eingerissenen Planen, Erdbrocken und schrottreifen Sanitäranlagen verweisen bildsprachlich auf die fehlende Sicherheit. Deswegen will eine Frau das Interview auch nur mit einem schützenden Tuch über dem Kopf führen.
In der Konzentration auf das Schicksal der Frauen liegt freilich auch eine Schwäche: Sie verengt den Blick auf Individuelles, lässt die sozio-ökonomischen Bedingungen außer Acht und klärt nicht darüber auf, was die jahrhundertlange Unterdrückung in Folge des Kolonialismus mit den aktuellen Vorkommnissen zu tun hat. Denn es verhält sich nicht so, wie eine Frau namens Vumilia unterstellt, dass sich niemand um die Geschehnisse kümmern und die Kriegsverbrechen nicht öffentlich gemacht würden. Filme wie „Im Schatten des Bösen – Der Krieg gegen die Frauen im Kongo“ von Susanne Babila, „L’homme qui répare les femmes“ von Thierry Michel oder „Congo, un médecin pour sauver les femmes“ von Angèle Diabang tun das sehr wohl. Darin tritt auch der Arzt und Menschenrechtsaktivist Denis Mukwege aus der Hauptstadt des Süd-Kivu auf, der in einer Rede vor den Vereinten Nationen die Strafverfolgung der Täter einklagte und damit sein eigenes Leben riskierte.