Weil seine alleinerziehende Mutter psychisch erkrankt, muss ein zwölfjähriger Jung immer öfter auf seine zwei jüngeren Geschwister aufzupassen. Als die Mutter schließlich sogar für mehrere Wochen abwesend ist, verheimlicht er dies vor der Umwelt, bis ein Unfall die Kinder zur Suche nach der Mutter treibt. Der in eindringlichem Schwarz-weiß gefilmte Debütfilm erzählt die Geschichte einer Verwahrlosung konsequent aus Sicht der Kinder. Weniger ein schonungsloses Sozialdrama als ein ästhetisch beeindruckendes modernes Märchen, bewegt er sich in einer reizvollen Schwebe zwischen Realität und Fantasie, wobei er ohne Schuldzuweisungen oder Erklärungsmuster auskommt.
- Sehenswert ab 12.
Im Spinnwebhaus
Drama | Deutschland 2015 | 96 Minuten
Regie: Mara Eibl-Eibesfeldt
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Filmdaten
- Produktionsland
- Deutschland
- Produktionsjahr
- 2015
- Produktionsfirma
- Tellux-Film/SWR
- Regie
- Mara Eibl-Eibesfeldt
- Buch
- Johanna Stuttmann
- Kamera
- Jürgen Jürges
- Musik
- Jörg Lemberg
- Schnitt
- Karl Riedl
- Darsteller
- Ben Litwinschuh (Jonas) · Lutz Simon Eilert (Nick) · Helena Pieske (Miechen) · Ludwig Trepte (Felix) · Sylvie Testud (Sabine)
- Länge
- 96 Minuten
- Kinostart
- 31.03.2016
- Fsk
- ab 12; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert ab 12.
- Genre
- Drama
- Externe Links
- IMDb | TMDB | JustWatch
Heimkino
Kinder müssen das Verschwinden der psychisch kranken Mutter kompensieren - Auf-sich-allein-Gestelltsein als Filmkunstwerk
Diskussion
Ausgelassen und unbeschwert spielt die alleinerziehende Mutter Sabine mit ihren drei Kindern. Doch die Idylle trügt, etwas stimmt nicht mit ihr. Als sie ihre Tochter vom Kindergarten abholt, lässt sie das Kind fallen und steuert das Auto kurz darauf beinahe in den Gegenverkehr. Noch am gleichen Abend möchte sie den zwölfjährigen Jonas und seine beiden jüngeren Geschwister Nick und Miechen kniefällig dem Vater übergeben, der dies strikt ablehnt. Als Sabine auf dem Rückweg erneut beinahe einen Unfall baut, übernimmt der unerfahrene Sohn das Steuer.
Jonas hat früh gelernt, Verantwortung für sich und seine Geschwister zu übernehmen. Schon mehrfach hatte sich die Mutter in ihrem Zimmer eingeschlossen, wenn sie unter ihrem „Geheimnis“ leidet und die eigenen Kinder für „Dämonen“ hält. Diesmal allerdings verschwindet sie für ein Wochenende, um sich auf dem „Sonnenberg“ zu erholen. Sie bittet Jonas, auf die Geschwister aufzupassen und keinem Außenstehenden etwas zu erzählen. Aus den Tagen ihrer Abwesenheit werden Wochen, das Geld und die Lebensmittelvorräte gehen aus, der Haushalt verwahrlost und bald schon hängen überall im Haus die Spinnweben. Gleichwohl meistert Jonas seine Aufgabe mit Bravour. Geschickt führt er die misstrauisch gewordene Nachbarin, die Kindergärtnerin und sogar den Vater in die Irre.
Sie dürfen nicht erfahren, dass die Kinder ganz allein auf sich gestellt sind, um einer Heimeinweisung zu entgehen. Hilfe von außen nimmt Jonas einzig und allein von dem seltsam gekleideten jungen Mann Felix an, der in Reimen spricht und sich als Graf von Gütersloh vorstellt. Als Miechen dann verunglückt, gerät die Situation außer Kontrolle und die Kinder beschließen, dem Geheimnis der verschwundenen Mutter auf die Spur zu kommen.
Mit den Schwarz-weiß-Aufnahmen von Kameramann Jürgen Jürges, der versiert mit Licht und Schatten spielt, verlieren der Dreck und die zunehmende Verwahrlosung der Kinder etwas von ihrem Schrecken, zugunsten magischer, fast märchenhafter Momente, in die der Film zunehmend eintaucht. Schnell wird dem Zuschauer klar, dass die Mutter offenbar psychisch erkrankt ist. Was aber bei den Kindern der äußeren Realität entspricht oder mehr ihrer eigenen Fantasiewelt entspringt, etwa um sich vor einer übermächtigen Realität besser zu schützen, bleibt bis zum Schluss in der Schwebe. Dabei folgt die Geschichte, die genauso „harmlos“ endet, wie sie begonnen hat, der Logik eines Märchens. Den Kindern wird von der Mutter eine Aufgabe gestellt, und wenn sie diese erfüllen oder lösen, winkt ihnen eine Belohnung und die Mutter kommt zurück. Damit ist die Geschichte konsequent aus der Perspektive von Kindern erzählt und nicht etwa aus der von Erwachsenen (was sicher dazu beigetragen hat, dass der Film im „Berlinale“-Programm 2015 als Cross-Section-Beitrag gezeigt wurde).
Das Ausgangsmaterial für ihren Debütspielfilm fand Mara Eibl-Eibesfeldt in einem Zeitungsartikel über Kinder, die plötzlich allein auf sich gestellt waren und ohne Hilfe von Erwachsenen zurechtkommen mussten. Solche Fälle gibt es immer wieder, und es ist auch nicht das erste Mal, dass diese in einem Film aufgegriffen und verarbeitet wurden. In diesem Fall allerdings nicht als schonungsloses hartes Sozialdrama, sondern als ästhetisch beeindruckendes Filmkunstwerk, das ohne einfache Schuldzuweisungen oder Erklärungsmuster auskommt. Kein Kinderfilm im engeren Sinn, aber als modernes Märchen ist es auch für ältere Kinder von Interesse, zumal wenn sie „Hänsel und Gretel“ bereits kennen und seelisch verkraften konnten.
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