Ich und Earl und das Mädchen

Tragikomödie | USA 2015 | 106 Minuten

Regie: Alfonso Gomez-Rejon

Ein einzelgängerischer Teenager freundet sich mit einer an Leukämie erkrankten Klassenkameradin an. Das aus zahllosen Melodramen vertraute Thema wird auf einer parallelen Ebene mit ausgelassen karikierfreudigen Amateurfilmen angereichert und somit ebenso spontan wie unsentimental abgewandelt. Heiterkeit und Betroffenheit wechseln sich angesichts des unorthodoxen Stils des Films ständig ab. Eine frische, optimistische Komödie über das Erwachsenwerden und den Tod. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
ME AND EARL AND THE DYING GIRL
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2015
Produktionsfirma
Fox Searchlight Pic./Indian Paintbrush/Rhode Island Ave. Prod.
Regie
Alfonso Gomez-Rejon
Buch
Jesse Andrews
Kamera
Chung Chung-hoon
Musik
Brian Eno · Nico Muhly
Schnitt
David Trachtenberg
Darsteller
Thomas Mann (Greg) · RJ Cyler (Earl) · Olivia Cooke (Rachel) · Nick Offerman (Gregs Dad) · Connie Britton (Gregs Mom)
Länge
106 Minuten
Kinostart
19.11.2015
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Tragikomödie
Externe Links
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Unorthodoxe Tragikomödie über das Erwachsenwerden und den Tod

Diskussion
Selten hat ein Film bereits mit seinem (Original-)Titel so deutlich angekündigt, was den Zuschauer erwartet. In „Me and Earl and the Dying Girl“ wird die Story erkennbar in die Nähe von Filmen wie „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“ (fd 42 412) gerückt, in denen eine todkranke Heldin und ihre Umwelt mit dem unvermeidlichen Ende des Lebens konfrontiert werden. Andererseits kündet die spielerische Formulierung an, dass es hier wohl etwas weniger tränenreich zugeht. Die Hauptperson ist nicht das sterbende Mädchen, sondern der noch nicht ganz der Pubertät entwachsene Teenager Greg, der die Geschichte seiner Freundschaft mit der an Leukämie erkrankten Rachel erzählt. Der Film muss sich mit existenziellen Situationen auseinandersetzen wie Rachels Furcht vor dem Sterben und Gregs ungewisser Zukunft nach dem Schulabschluss. Aber das geschieht mit erstaunlicher Leichtigkeit und einem buntscheckigen visuellen Vokabular, das auch hinter traurigen Begebenheiten noch erlösende Heiterkeit entdeckt, ohne die Ereignisse zu verniedlichen. Greg hat die Klippen seiner Schulzeit hauptsächlich dadurch bewältigt, dass er gemeinsam mit seinem einzigen Freund Earl ein Faible für Filme entwickelte. Seit Kindertagen imitieren die beiden mit einer alten Bolex-Kamera und jener Unbekümmertheit, die ihrem Alter eigen ist, was sie im Kino gesehen haben. Sie können sich für Powell und Pressburger begeistern, für Truffaut, Kubrick oder Werner Herzog und geben ihren kleinen, selbstproduzierten Parodien Titel wie „The 400 Bros“ und „Eyes Wide Butt“. Greg hat es auf diese Art geschafft, seine Individualität zu bewahren, unbeschädigt von allen Cliquen und Blessuren des High-School-Daseins. Als ihn seine Mutter eines Tages anhält, Zeit mit seiner kranken Klassenkameradin Rachel zu verbringen, tut er das zunächst eher widerwillig. Auch im Umgang mit Rachel bleibt er der unangepasste, kuriose, keinem Risiko ausweichende Einzelgänger, der er immer schon war und vermutlich sein Leben lang bleiben wird. Regisseur Alfonso Gomez-Rejon und sein Drehbuchautor Jesse Andrews, auf dessen Buch der Film beruht, beschreiben ihren Helden und dessen Erwachsenwerden ebenso sehr mit Hilfe der ausgelassenen Amateurfilmchen, von denen Greg und Earl nicht lassen können, wie mit Szenen der sich entwickelnden Freundschaft. Ihr Stil ist scheinbar unorganisiert (wie in den filmischen Gehversuchen der beiden Möchtegern-Regisseure), spontan und immer ein bisschen zur Verrücktheit neigend, am ehesten mit Wes Anderson vergleichbar, aber weniger rational ausgefuchst. Sie ziehen die in ihrem Kern tieftraurige Geschichte nie ins Lächerliche, obwohl es mehr zu lachen als zu weinen gibt. Sentimentalität und Melodramatik, wie sie thematisch ähnlichen Filmen meist im Übermaß anhaften, finden sich hier nirgends; Ernsthaftigkeit lugt dafür hinter jeder noch so komischen Situation mit bewegender Scheu hervor, was genau dem Charakter des Protagonisten entspricht: eine lange Gratwanderung, die gestandenen Regisseuren nicht überzeugender hätte gelingen können. Die wackeligen Amateurfilmchen, allesamt integrale Bestandteile der Geschichte, sind voller komischer Einfälle und kommentieren die Handlung mit ausgelassenen Aperçus voller ungehemmter Offenherzigkeit. Man hätte es kaum für möglich gehalten, dass ein so ernstes Thema mit so viel Unbekümmertheit und Leichtigkeit, gleichzeitig aber auch mit solcher Karikaturlaune auf die Leinwand gebracht wird. Den jungen Darstellern passen ihre Rollen wie maßgeschneidert. Nur Olivia Cooke muss achtgeben, dass sie nicht auf den Topos des todkranken Mädchens festgelegt wird, das sie auch schon in der erfolgreichen Fernsehserie „Bates Motel“ spielt.
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