Geheimnisvoll raunend erzählt der indische Yoga-Meister Yogananda aus dem Off von seinen frühesten Erinnerungen, als er noch ein Embryo im Mutterleib war, wozu man elegisch-gedämpfte Bilder von Wellen und Wasser sieht. Dann folgt ein Tempo- und Lichtwechsel: die (symbolisch dargestellte) „Geburt“. Helligkeit, Farbe und Bewegung durchfluten die im Zeitraffer beschleunigten Bilder tanzender Kinder und Menschen auf indischen Straßen. Ein handwerklich gut gemachter Einstieg, der auf einen Dokumentarfilm über den Mann einstimmt, der Anfang des 20. Jahrhunderts die philosophisch-spirituelle Lehre des Yoga in den Westen brachte. Weltweit berühmt wurde Yogananda, den seine Anhänger als göttliche Inkarnation betrachten, aber erst durch seine 1946 veröffentlichte „Autobiographie eines Yogi“. Dessen eindrückliches Cover mit dem Konterfei des ebenso milde wie durchdringend blickenden Yoganandas haben viele schon einmal gesehen. Das Buch, das die Lebensgeschichte und die Lehren des 1893 in Bengalen geborenen und 1952 in Los Angeles verstorbenen Paramahansa Yogananda erzählt, gilt als einer der meistgelesenen spirituellen Klassiker. Die Filmemacherinnen Paola di Florio und Lisa Leeman haben sich daran gemacht, dieses Leben nun auch in Filmbilder und -töne zu gießen.
In einer Mischung aus nachgestellten Szenen, historischen Filmaufnahmen, Fotos und Dokumenten sowie zahlreichen Interviews mit Yoga-Lehrern, Journalisten, Zeitzeugen und Anhängern, darunter auch den Musikern George Harrison und Ravi Shankar, zeichnet der Film die Lebensstationen des Yogi nach, der 1920 in die USA übersiedelte, um dort die Philosophie und Technik des Kriya-Yoga zu verbreiten. Wochenschau-Aufnahmen und Zeitungsausschnitte erlauben dabei auch einen Blick auf das jeweilige gesellschaftliche Klima, freilich immer nur in unmittelbarem Bezug auf Leben und Lehre des Yogananda.
Der wird im Westen zunächst interessiert und mit wachsender Begeisterung empfangen. Die Liebe des Yogi zu Christus, dessen Lehre mit denen Krishnas und dem klassischen Yoga für Yogananda eine Einheit bildet, ist der Schlüssel seines Erfolg in den USA. Ende der 1920er -Jahre aber kippt die Stimmung. Ressentiments und Ängste gegenüber dem dunkelhäutigen Guru bahnen sich auch mittels der „yellow press“ einen Weg. Yogananda zieht sich zurück, setzt sich an sein später berühmt gewordenes Buch und baut seine bis heute bestehende Organisation „Self-Realization Fellowship“ neu auf.
„Awake“ ist in Teilen eine interessante Zeitstudie und gibt mit handwerklichem Können und Lust an formaler Vielfalt Einblicke in eine zutiefst humane Persönlichkeit und deren Philosophie von Liebe und Einheit. Auch die Vorstöße, Yoganandas spirituelle Lehre von einem Neurotheologen oder einer Physikerin als wissenschaftlich fundiert beglaubigen zu lassen, sind durchaus legitim.
Was mit Fortgang des Films jedoch zunehmend stört, ist der beweihräuchernde Blick auf den Guru. Das schlägt sich auch in der Auswahl der Interview-Ausschnitte nieder, die oftmals enttäuschend kurz sind, so als hätte man nur jene Schnipsel verwandt, in denen die Gesprächspartner eine ungebrochen affirmative Perspektive bestätigen. Die Hagiografie kommt ohne jeden Anflug von Distanz aus; beim Versuch, das Leben Yoganandas in fiktiven Szenen nachzustellen, scheut der Film mit pastelligen Bildern oder konkreten Darstellungen beispielsweise der „kosmischen Mutter“ auch nicht die Nähe zum Kitsch. Der konstant ehrfürchtige Tonfall des Films führt überdies nicht nur zu Abwehr, er ist auf Dauer schlicht auch ein wenig einschläfernd – weshalb „Awake“ zu einer eher zähen Angelegenheit wird.