„In der zweiten Juni-Woche wurde ich geraubt. Das war mein großes Glück.“ Der elfjährigen Vilja hätte auf dem Weg zu ihrer Oma überhaupt nichts Besseres passieren können. Denn auf diesen Ausflug mit ihrer Familie hatte sie ohnehin keine Lust. Und dass ihrem Vater die Münzsammlung wichtiger ist als seine Tochter, ist auch kein Geheimnis. So fällt Vilja in die Hände einer kuriosen finnischen Räuberfamilie, die mit ihrem klapprigen Kleinbus unter schwarzer Piratenflagge anderen Autos auflauert und diese ausraubt. Viljas Entführung war allerdings keineswegs beabsichtigt. Erst auf der Flucht entdecken die Räuber, wen sie da versehentlich mitgenommen haben.
Für Vilja ist das Leben unter den Strauchdieben zunächst ein regelrechter Kulturschock. Campieren am Strand, ohne Besteck essen, schmutzig sein, nicht in die Schule gehen – das ist ziemlich genau das Gegenteil von Viljas geordnetem Mittelschichtsalltag. Erst geht sie auf Distanz zu ihren Entführern und kann überdies die gleichaltrige, aber großmäulige Hele nicht leiden. Doch dann lernt sie, über ihren Schatten zu springen und das Räuberleben zu genießen. Ein kleiner Befreiungsschlag, auch wenn sie ihre Wurzeln nie ganz hinter sich lassen kann und bei den Diebeszügen heimlich die Schulden bezahlt.
Diese Gegenüberstellung der Lebenswelten ist das Interessanteste an dem Film von Marjut Komulainen, weil der Kindertraum von einem freien, wilden Leben mit der unangepassten Räuberfamilie eine schöne bildliche Entsprechung findet und sich der Film durch die Konfrontation von Räuberleben und Konsumgesellschaft ein paar nette Seitenhiebe erlaubt. Die stets überzogen spielenden Erwachsenen allerdings, die entweder dümmliche Prolls oder stocksteife Spießer geben, berauben den lieblos inszenierten Film, der wahrscheinlich nur der in Finnland überaus bekannten Kinderbuchreihe von Siri Kolun zu verdanken ist, seiner Glaubwürdigkeit. Die Erwachsenen taugen weder als Gegenspieler noch als Vorbilder etwas. Sie sind nicht mehr als Witzfiguren, die im schlimmsten Fall auch noch für die unvermeidlichen Pupswitze herhalten müssen.
Vor allem aber gelingt es der Inszenierung nicht, plausibel über Viljas Veränderung in diesem Sommer zu erzählen. Die Beziehungen zwischen den Figuren bleiben pure Behauptung. Dass Vilja und Hele zu allerbesten Freundinnen werden, ist zwar absehbar, aber keineswegs nachvollziehbar. Und dass Viljas Vater sich plötzlich um seine Tochter sorgen soll, ist eher eine überraschende Wendung als eine dramaturgisch begründete Entwicklung.
Dabei ist es keineswegs so, dass den Filmemachern diese Lücken nicht bewusst wären. Mit einem hölzernen Voice-Over-Kommentar von Vilja versucht das Drehbuch, diese zu schließen. Darin erfährt man dann, dass Vilja in diesem Sommer vieles gelernt hat. Dass sie nun weiß, wie es ist, im Freien zu schlafen. Dass sie direkt aus der Bratpfanne gegessen hat und nun auch durch die Zähne pfeifen kann. Ja, so stellt man sich einen wilden, erlebnisreichen Kindersommer vor. Das Problem ist nur: All dies ist in „Vilja und die Räuber“ nicht zu sehen.