Der Wald ist wie die Berge
Dokumentarfilm | Deutschland 2014 | 101 Minuten
Regie: Christiane Schmidt
Filmdaten
- Originaltitel
- PADUREA E CA MUNTELE, VEZI?
- Produktionsland
- Deutschland
- Produktionsjahr
- 2014
- Produktionsfirma
- Hochschule für Fernsehen und Film München (HFF)
- Regie
- Christiane Schmidt · Didier Guillain
- Buch
- Didier Guillain · Christiane Schmidt
- Kamera
- Christiane Schmidt
- Schnitt
- Lena Hatebur
- Länge
- 101 Minuten
- Kinostart
- 07.05.2015
- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert ab 16.
- Genre
- Dokumentarfilm
- Externe Links
- IMDb | TMDB | JustWatch
Lyrisch-ethnografischer Dokumentarfilm über Roma in Zentralrumänien.
„Was filmt die Frau?“, wird einmal gefragt. „Die Welt“, lautet die Antwort. Die Welt ist hier ein kleines Dorf; es liegt in sanfte Hügel gebettet, ganz in der Nähe der rumänischen Kreisstadt Sfântu Gheorghe. Hier holpern noch Pferdekarren die Schotterstraße entlang und werden im Garten des Dorfvorstehers Haare geschnitten.
„Der Wald ist wie die Berge“ von Christiane Schmidt und Didier Guillain kreist um Aron Lingurar, seine Familie und die anderen Bewohner des Dorfes. Die beiden Filmemacher sind 2004 durch Rumänien gereist, in einem Kleinbus mit Fotolabor. Dabei haben sie die Familie Lingurar kennengelernt und wurden sogar die Pateneltern der jüngsten Lingurar-Tochter Anamaria, die damals zehn Jahre alt war. Schmidt und Guillain kehrten fast jährlich zurück; im Jahr 2011 drehten sie schließlich den Film.
Man spürt die Nähe zu den Protagonisten
Über ein Jahr begleiteten sie die Roma-Familie, durch die Jahreszeiten hindurch; die außerordentliche Nähe zu den Protagonisten ist dabei stets spürbar – vielleicht gerade wegen der Zurückhaltung, die sich die Filmemacher auferlegen. „Der Wald ist wie die Berge“ ist „a slice of life“, eine ethnografische Beobachtung, so teilnehmend wie einnehmend, radikal gegenwärtig. Die Falle des armutsvoyeuristischen Blicks, der allzu romantisierend – arm, aber glücklich –, allzu didaktisch oder auch einfach nur ausstellend sein könnte, umgehen die Filmemacher geschickt auf mehreren Ebenen; der Zeitrahmen von einem Jahr und die Nähe sind Teil davon. Das sind auch die Bilder: Es gibt atemberaubende Tableaus, Totalen von der Kartoffelernte oder Panoramen vom Wald, den Hügeln und dem Dorf, im Licht der tiefstehenden Sonne; ein vorbeifahrender Traktor wirbelt Staub auf.
Solche Bilder würde man sich sofort an die Wand hängen, sie verströmen einen Hauch 19. Jahrhundert. Romantischer geht es kaum, romantisierend ist es gleichwohl nicht. Die Landschaft, die Natur ist so schön wie die dort lebenden Roma arm sind. Das wird weder ausgeklammert, noch beschönigt oder überbetont. Einmal schwärmen Aron und sein Schwager von den alten Zeiten unter Ceausescu; seit dem Ende der Diktatur gebe es keine ordentliche Arbeit mehr. Irgendwann bemerken sie die Komik in ihrem Lamento und lachen über sich selbst. Am Schluss, es ist wieder Winter, geht ein Vater zum Arbeiten weg; wohin, wird nicht klar, dahin eben, wo es Arbeit gibt.
Schmidt und Guillain lassen vieles stehen, sie erklären nichts und setzen auf ein bewährtes dokumentarisches Mittel, das hier so verlockend simpel wirkt: die Anschauung. Simpel ist der Film allerdings keineswegs. Die beiden Regisseure orchestrieren sehr genau und transparent, sie verknüpfen lyrisch-assoziativ auf den Spuren von Bildern oder Stichworten, sie lassen die visuelle und die inhaltliche Ebene miteinander kommunizieren. Auf der einen Seite die Holzbündel, die quer durch alle Generationen im Wald gesammelt und die Straße entlang nach Hause geschleppt werden, Streifzüge durch die Hügel in den Wald, auf der Suche nach Kräutern, Pilzen, Beeren. Die Kamera folgt den Menschen, fließend und bevorzugt mit Rückenansichten.
Glaube, Liebe, Hoffnung
Auf der anderen Seite werden in den engen, kleinen Holzhäusern in halbnahen Einstellungen die Lebensthemen gestreift. Da geht es um Glaube, Liebe, Hoffnung. Babys werden gebadet, mit Geburt, Tod und Abtreibung gerungen. Die Lingurars sind „Siebenten-Tags-Adventisten“, sie zelebrieren den Sabbat, für den samstäglichen Gottesdienst in der rosa getünchten Kirche machen sie sich schick. Dort ist von einem sendungsbewußten Prediger viel Krisenhaftes zu hören. Auch dies wird in einer nachfolgenden Szene leise ironisch konterkariert: Da sitzen drei Jungen, die im Wald Beeren gesammelt haben, in spätsommerlich-goldenem Licht auf einem Hügel und schauen auf ihr Dorf hinab. Dabei unterhalten sie sich über die Zukunft und die Apokalypse, die unweigerlich eintreten wird. Die Stimmung ist aber recht gut.