Als am 8. April 1994 die Leiche von Kurt Cobain gefunden wurde, war nicht nur die Geschichte der Band Nirvana, sondern auch die Karriere eines Musikers zu Ende, zu dessen Mythos es gehört, dass sie spektakulär unvollendet blieb. Zum Zeitpunkt seines Todes war Cobain 27 Jahre alt, hatte aber, so suggeriert es Brett Morgens multimediale Dokumentation „Kurt Cobain: Montage of Heck“, sich bereits jahrelang mit dem Gedanken der Selbsttötung getragen.
Im Gegensatz zu konventionellen Musikdokumentationen versucht Morgen nicht, Cobains Biografie durch das übliche Archivmaterial, Zeitzeugen-Kommentare und die größten Hits zu rekonstruieren (obwohl das alles auch vorkommt), sondern er schreibt eher an einer Art fiktiven Autobiografie auf der Basis von Privatfilmen, Skizzenbüchern und anderem Archivmaterial, die einen „frischen“ Blick auf Cobain erlauben.
Der Film entwirft ein für Fans durchaus kontroverses Bild, dessen wenige Leerstellen souverän durch animierte Sequenzen gefüllt werden. Gezeigt wird eine glückliche Kindheit in Aberdeen, Washington, die durch die Scheidung der Eltern jäh zerstört wird. Cobain, jetzt ein schwieriges Kind, wird in der Familie herumgereicht und fühlt sich nicht geliebt. Später, so hört man, wird er sehnsüchtig versuchen, selbst ein Familienleben zu führen. Das ist der Zeitpunkt, an dem Courtney Love ins Spiel kommt; das heroinabhängige Paar galt als die Grunge-Version von Sid Vicious und Nancy Spungen. Der Film wertet dies nicht explizit, aber er bedient sich reichlich bei den trostlosen Privatfilmen, die zwei Junkies im Stadium der Regression zeigen. Ein Skandal (und auch heute schwierig zu begreifen) ist, dass Love auch während der Schwangerschaft Drogen nahm und Tochter Frances Bean bereits abhängig zur Welt kam, was Morgen materialreich ausbreitet, aber dann aus den Augen verliert, weil Cobains gescheiterter Selbstmordversuch dazwischen kommt. Auch der mysteriöse Tod des Musikers, über den in der Popwelt allerlei Vermutungen kursierten, spielt im Film keine Rolle, sondern wird lediglich am Schluss konstatiert, nachdem als letzter Song ein längerer Ausschnitt aus dem berühmten „MTV-unplugged“-Konzert von Nirvana gezeigt wurde.
Bedenkt man, dass die große Zeit von Nirvana über 20 Jahre zurückliegt und Morgens Film bewusst keine popgeschichtliche Einordnung von Cobains Karriere versucht, muss man davon ausgehen, dass der anspielungsreiche Film nur für alte Fans der Band verständlich und interessant ist. Jene werden es auch verschmerzen, dass die Inszenierung zwar keinen Bogen um die Band Nirvana macht, aber sie einfach „geschehen“ lässt. Genau diese Band bot Cobain allerdings die Plattform, seine Sicht der Dinge ästhetisch so zu kanalisieren, dass er zu einer (tragischen) Ikone der „Generation X“ werden konnte. Doch Morgen will es intimer und auch vermittelter, weshalb Nirvana-Musik nur in Versionen präsentiert wird. Bezeichnenderweise gibt es „Behind the Scenes“-Material zu den Dreharbeiten von „Smells Like Teen Spirit“, aber keine Ausschnitte des fertigen Videos. Letztlich wählt der Film trotz seines Materialreichtums eher die Unschärfe einer Annäherung aus historischer wie persönlicher Distanz zum Gegenstand. Das ist zwar ungewöhnlich, aber durchaus lauter.