„I mog nimmer!“, sagt der Brenner nach einer langen, erschöpfenden Jagd per Moped und zu Fuß zu seinem Verfolger, dem lokalen Polizeichef Aschenbrenner. Die beiden einstigen Jugendfreunde stehen auf dem Grazer Schlossberg, zwei schwer vom Leben gezeichnete Männer, so weit wie nur irgend möglich von den gemeinsamen Träumen der 1970er-Jahre entfernt, also von Liebe und Freiheit, die diese vierte Brenner-Verfilmung grundieren. Aus dieser Diskrepanz erwächst eine gehörige Portion Melancholie, die „Das ewige Leben“ im Tonfall deutlich von den anderen Wolf-Haas-Krimis abhebt. Es ist Brenners bislang privatester Fall, und es ist kein Zufall, dass er darin sozial wie gesundheitlich ganz unten angekommen ist.
„I mog nimmer!“, sagt der Brenner gewissermaßen auch schon zu Beginn, als er sich in seinem maroden Grazer Elternhaus eine Pistole an den Kopf hält und abdrückt. Beziehungsweise: Das war er ja gar nicht selbst. Das war der Aschenbrenner. Das jedenfalls versucht Brenner – dessen Namensähnlichkeit mit seinem Widersacher natürlich auch kein Zufall ist – nach dem glimpflich ausgegangenen Kopfschuss den ihn behandelnden Ärzten wie sich selbst zu beweisen. Ein missglückter Selbstmord, das geht sozusagen gegen die Berufsehre des einstigen Polizisten und Privatdetektivs: „Wenn I mi umbring, dann bin i hi!“
In die Heimat zurückgekehrt ist der von Josef Hader mit grandiosem Stoizismus gespielte Brenner, weil das geerbte Elternhaus das einzige ist, was er besitzt. Weder mit Bankkonto oder Krankenversicherung noch mit einer Antwort, von welchem Geld er eigentlich die letzten Jahre gelebt hat, kann der völlig heruntergekommene Brenner bei seinem anfänglichen Termin auf dem Arbeitsamt aufwarten. Deshalb nun die Rückkehr im strömenden Regen nach Graz, Puntigam. Welch eine Schmach, zählte für den Brenner doch „immer nur die große weite Welt, Linz, Salzburg, Eisenstadt“, wie die lakonische Erzählerstimme aus dem Off mit leiser Süffisanz anmerkt.
Der sehr spezielle, eindringliche Tonfall der Wolf-Haas-Prosa, die stets so klingt, als bekäme man die Story beim dritten Bier in der Kneipe erzählt, lässt sich nur bedingt in den Film übertragen, wenn man den Erzähler aus dem Off nicht überstrapazieren möchte – was zweifellos ein Verlust ist. Dennoch muss man die in wirklicher Teamarbeit erstellten Brenner-Verfilmungen, bei denen der Hauptdarsteller Hader, Regisseur Murnberger und der Romanautor stets gemeinsam das Drehbuch schreiben, schlicht als kongenial bezeichnen.
Nach dem ziemlich grotesken „Der Knochenmann“, der nach wie vor besten Brenner-Adaption, folgt nun eine recht melancholische und einigermaßen kaputte Variante. Kaputt ist der Brenner körperlich. Durch Migräne und Kopfschuss völlig lädiert, taumelt er durchs Geschehen. Kaputt ist sein leer stehendes Elternhaus, in das es hineinregnet und in dem ein verdorrtes Pflänzchen in der Ecke steht. Und kaputt sind vor allem die Beziehungen: zu den Freunden von einst, dem Aschenbrenner, dem schmierigen Trödelhändler Köck, der ersten Liebe Maritschi – ein ungutes Konglomerat aus verlorenen Träumen, ungeklärter Vaterschaft und dem Wissen um eine gemeinsam begangene Jugenddummheit mit tödlichem Ausgang.
Die Krimihandlung, die für den Brenner mit dem Kopfschuss einsetzt und mit Köcks gewaltsamen Tod an Dringlichkeit gewinnt, steht auch in diesem Brenner-Fall nicht im Vordergrund. Vielmehr geht es um die persönlichen, folgenreichen Verstrickungen in Brenners ebenso präzise wie skurril gezeichnetem Herkunftsmilieu. Die brillanten schwarzhumorigen Dialoge und die durchweg hervorragenden Schauspieler erwecken diese Figuren stimmig zum Leben; neben Hader glänzt insbesondere Tobias Moretti, der den Grazer Polizeichef als atemberaubend zerrissene Figur spielt: unglaublich armselig und unglaublich kaltblütig zugleich.
Dabei bleibt eine gewisse Distanz zu den Rückblenden in Brenners Jugend: Denn wenn man ehrlich ist, mag man den Brenner ja gar nicht so voller Aufbruchsgeist und Freiheitsseligkeit. Was man an ihm mag, ist ja gerade das Abgeklärte, Schmuddelige, Schluffige, seinen sarkastischen Blick auf die Welt. Insofern ist man am Ende des Films dann wieder ganz bei ihm, wenn er zusammen mit der reizenden Dr. Irrsiegler am Friedhofsimbiss mit dem schönen Namen „Endstation“ steht. Und man weiß: Auch wenn der Brenner ihm verdammt nahe war – der Abgrund hat auch diesmal glücklicherweise nicht gesiegt.