Shana - Das Wolfsmädchen

Coming-of-Age-Film | Schweiz/Kanada 2013 | 98 Minuten

Regie: Nino Jacusso

Ein zwölfjähriges Mädchen mit indianischen Wurzeln hat sich nach dem Tod seiner Mutter gänzlich in sich selbst zurückgezogen, schreibt Briefe an die geliebte Verstorbene und sucht Trost im Geigenspiel. Eine neue Klassenlehrerin erkennt das außerordentliche Talent des Kindes, scheitert in ihrem Bemühen, es zu fördern, jedoch an dessen verbittertem Vater. Das Mädchen flüchtet in einen Wald, wo es einem Wolf begegnet, der den Geist der Mutter in sich zu tragen scheint. Sorgfältig und weitgehend differenziert inszenierter, mitunter sanft esoterisch angehauchter Jugendfilm nach einem Roman von Federica de Cesco, der mit der fremden Kultur eines Indianer-Stammes vertraut machen möchte und dabei auf die emotionalen Gemeinsamkeiten mit westlichen Lebenszusammenhängen verweist. - Sehenswert ab 12.
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Filmdaten

Originaltitel
SHANA: THE WOLF'S MUSIC
Produktionsland
Schweiz/Kanada
Produktionsjahr
2013
Produktionsfirma
RECK Filmprod/Red Cedar Films/Schweizer Radio und Fernsehen
Regie
Nino Jacusso
Buch
Nino Jacusso
Kamera
Séverine Barde
Musik
Roman Lerch
Schnitt
Loredana Cristelli
Darsteller
Sunshine O'Donovan (Shana) · Alana Aspinall (Mutter) · Marcel Shackely (Vater) · Marty Aspinall (Urmutter) · Delilah Dick (Lehrerin)
Länge
98 Minuten
Kinostart
23.04.2015
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 12.
Genre
Coming-of-Age-Film | Jugendfilm
Externe Links
IMDb | TMDB | JustWatch

Heimkino

Verleih DVD
Impuls (16:9, 2.35:1, DD5.1 engl./dt.)
Verleih Blu-ray
Impuls (16:9, 2.35:1, dts-HDMA engl./dt.)
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Spannender Coming-of-Age-Film unter den Erben der „First Nations“ Kanada

Diskussion
Trauern bedeutet, von einem geliebten Menschen Abschied zu nehmen. Und zugleich, die Erinnerung an diesen zu bewahren. Mit diesem Dilemma, etwas loszulassen und gleichzeitig zu bewahren, kommt Shana nicht zurecht. Während ihr Vater den Kummer über den Tod seiner Frau in Alkohol ertränkt und sie im Rausch in seiner Vorstellung immer wieder lebendig werden lässt, verweigert sich Shana der Rückkehr in ihr geordnetes Leben. Auf die Schule hat sie keine Lust mehr. Stattdessen verbringt sie ihre Zeit lieber unter dem schönen großen Baum nahe ihres Heimatortes inmitten der weiten Landschaft British Columbias. Es ist ein besonderer Ort. Nicht nur, weil sie dort schon früher gemeinsam mit ihrer Mutter Violine gespielt hatte, sondern auch, weil es sich um den Ahnenbaum handelt. Shana, das Mädchen aus dem kanadischen Indianervolk, hat diesen mit Briefen an ihre Mutter und mit einer Haarsträhne von dieser geschmückt. Er ist zum Ort der Erinnerung und zum Zufluchtsort für sie geworden. Mit der Ankunft der Musiklehrerin Lela Woodland verändert sich Shanas Leben. Woodland ist eine Überlehrerin, wie man sie aus vielen Filmen kennt. Beharrlich und geduldig, einfühlsam und engagiert. Eine Lehrerin, die niemanden im Stich lassen will. Auch nicht die rebellische Shana, in der sie ein großes musikalisches Talent erkennt und der sie einen Zugang zu der Musikschule in Vancouver ermöglichen will – wenngleich sich herausstellen wird, dass sie damit auch ein eigenes Trauma verarbeiten will. Für Shana könnte das dennoch die Rettung sein. Denn in dem Lower Nicola Indian Band-Reservat steht es schlecht um die Zukunft der Kinder und Jugendlichen. Wer sich durch Bildung keinen Weg nach draußen erarbeiten kann, dem droht später die Arbeitslosigkeit. Tatsächlich lässt sich das Mädchen auf die Lehrerin, die selbst indianische Wurzeln hat und weiß, wovon sie spricht, ein. Doch dann kommt es zum Bruch mit dem Vater, der auf einmal wertvolle Erinnerungsstücke an die Mutter verhökert, um seine Schulden zu tilgen – zuerst das Zeremonienkleid, später die wertvolle Geige mit dem geschnitzten Wolfskopf, die sie Shana geschenkt hatte. Im Gegensatz zu den „Winnetou“-Filmen, die den italienisch-schweizerischen Regisseurs Nino Jacusso als Kind so inspiriert haben, verlässt „Shana“ sich weder auf europäische Indianer-Romantik noch auf filmische Tricks. Jacusso hat sich wirklich auf den Weg in die Welt der kanadischen Ureinwohner, der so genannten First Nations, gemacht, von denen er erzählt. Besetzt mit Laiendarstellern aus dem Stamm der Scw’exmx und an Originalschauplätzen gedreht, wird „Shana“ dadurch ein geradezu ethnografischer Film, in dem die Perspektive des europäischen Regisseurs nie unangenehm die Oberhand gewinnt. Respektvoll taucht „Shana“ ein in eine Welt, die ebenso von modernen Problemen geprägt wird wie von mythisch-spirituellen Traditionen. Doch vor allem erzählt der Film, der frei auf dem Roman „Shana, das Wolfsmädchen“ von Federica de Cesco beruht, die Geschichte einer Initiation, im Laufe derer Shana ihrem Stamm näher kommt, zugleich aber auch ihren eigenen Weg findet und das Reservat verlassen kann. Der Konflikt zwischen Verwurzelung und Aufbruch findet so gleichermaßen auf mehreren Ebenen statt und wird vor allem durch die Trauer um die verstorbene Mutter vermittelt. Shanas Mutter fungiert als Bindeglied zwischen den Realitätsebenen, zwischen Traum, Vision und Wirklichkeit. In der Gestalt eines weißen Wolfs scheint sie schon zu Beginn ihre Tochter zu beobachten. Später wird sie schützend über Shana wachen, wenn sich das Mädchen alleine auf den Weg in die Wälder macht, um die Geige ihrer Mutter zurückzuholen, und dabei auch der Urmutter ihres Stammes begegnet. Dass Jacusso dabei offen lässt, was nun tatsächlich geschieht und was nur Einbildung ist, macht die Stärke dieses Films aus, der sich ganz auf das enge Nebeneinander von Mythos und Alltag einlässt und eine parabelhafte Wirkung entfaltet.
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