Die Lebensgeschichtes fünf Überlebender des Holocaust vor dem Vergessen zu bewahren, die auf der Flucht vor der Vernichtung im Kibbuz Ma’abarot nahe Haifa strandeten, ist das Anliegen der Studentengruppe "Docview". Ihr Film fokussiert nicht ausschließlich auf die Holocaust-Erinnerungen, sondern interessiert sich auch für ihre Erfahrungen in der sozialistischen Kibbuz-Bewegung. Die rüstigen Protagonisten lassen freimütig an ihrem Alltag und ihren Erfahrungen teilhaben, bei denen weniger die Traumata, eher Stolz und Zufriedenheit überwiegen. Die visuell unspektakuläre, aber ansprechende Inszenierung räumt ihnen allen Raum ein. Das limitiert das Potenzial des sympathischen Films, ohne sein Anliegen zu diskreditieren.
- Ab 16.
Erhobenen Hauptes. (Über)Leben im Kibbuz Ma'abarot
Dokumentarfilm | Israel/Deutschland 2010–14 | 96 Minuten
Regie: Filmgruppe DocView
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Filmdaten
- Produktionsland
- Israel/Deutschland
- Produktionsjahr
- 2010–14
- Produktionsfirma
- Filmgruppe DocView
- Regie
- Filmgruppe DocView
- Buch
- Filmgruppe DocView
- Kamera
- Filmgruppe DocView
- Schnitt
- Filmgruppe DocView
- Länge
- 96 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 12
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 16.
- Genre
- Dokumentarfilm
Heimkino
Früher hieß Zvi Cohen noch Horst Cohn und lebte in der Zehdenicker Straße 28 in Berlin-Mitte, bis er und seine Eltern am 7. Mai 1943 nach Theresienstadt deportiert wurden. Mit preußischer Akkuratesse erinnert der 80-Jährige auch heute noch präzise jedes Detail, als zwei SS-Männer in die Absteige unter dem Dach polterten. Auf diesen Moment waren die Cohns vorbereitet: »Wir waren ja deutsch!«. Ordnungsliebend, musisch, zuverlässig.
Diskussion
Früher hieß Zvi Cohen noch Horst Cohn und lebte in der Zehdenicker Straße 28 in Berlin-Mitte, bis er und seine Eltern am 7. Mai 1943 nach Theresienstadt deportiert wurden. Mit preußischer Akkuratesse erinnert der 80-Jährige auch heute noch präzise jedes Detail, als zwei SS-Männer in die Absteige unter dem Dach polterten. Auf diesen Moment waren die Cohns vorbereitet: »Wir waren ja deutsch!«. Ordnungsliebend, musisch, zuverlässig. Weshalb der Rucksack damals gepackt hinter der Tür stand, und dem »Jecken« bis heute der Ruf vorauseilt, dass bei ihm immer »hundertprozentig alles richtig ist«.
Cohens Lebensgeschichte und die von vier anderen Überlebenden vor dem Vergessen zu bewahren, die auf der Flucht vor der Vernichtung im Kibbuz Ma’abarot nahe Haifa strandeten, ist das Anliegen einer »Docview« getauften Studentengruppe. Ihr umsichtig produzierter Film fokussiert dabei aber nicht ausschließlich auf die Holocaust-Erinnerungen, sondern interessiert sich zu gleichen Teilen für ihre Erfahrungen in der sozialistischen Kibbuz-Bewegung. Die rüstigen Protagonisten, alle hochbetagt, aber gleichermaßen körperlich wie geistig fit, lassen freimütig an ihrem Alltag und ihren Erfahrungen teilhaben, bei denen weniger die Traumata, eher Stolz und Zufriedenheit überwiegen. Szenen aus dem Alltag im Kibbuz und die in Interviews erinnerten Biografien alternieren, wobei der zurückhaltende Umgang mit historischen Bildern positiv auffällt; statt auf Archivmaterial zurückzugreifen, begleitet die Kamera Cohen lieber ins »Beit Theresienstadt«-Archiv, wo die Schicksale aller nach Teresin Deportierten Regalmeter um Regalmeter dokumentiert sind.
Die visuell unspektakuläre, aber sehr flüssige und ansprechende Inszenierung verfolgt keine kritischen Ambitionen, sondern räumt ihren Protagonisten und deren Erzählungen allen Raum ein. Der Konflikt mit den Palästinensern, die zahlreichen Kriege oder die spannungsgeladenen Entwicklungen der Kibbuz-Bewegung, die ihre sozialistischen Ideale weitgehend aufgegeben hat, werden so nur gestreift, nicht vertieft oder entfaltet. Das limitiert das Potenzial des sympathischen Films, ohne sein Anliegen zu diskreditieren.
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