Seitdem 2006 der erste „Dabbe“-Film erschien, hat sich Hasan Karacadağ eine Nische als Regisseur und Produzent von Horrorfilmen mit islamischem Hintergrund erarbeitet. Dabei war er so erfolgreich, dass inzwischen andere Filmemacher aufs Islam-Horror-Genre aufzuspringen versuchen. Mit „Dabbe 5 – Der Giftdämon“ kopiert sich Karacadağ nun selbst.
Inhaltlich zählt das Horror-Kino bekanntermaßen ja nicht gerade zu den innovativsten Genres. Karacadağ, der seine Ausbildung zum Filmemacher in Japan erhielt und zurzeit an seinem ersten englischsprachigen Film arbeitet, macht da keine Ausnahme. In „Dabbe“ geht es um Pärchen aus der Mittel- oder Oberschicht, deren Körper wie Seelen von Dämonen erobert werden. Vorrangig sind zuerst die jungen Frauen dran; später kämpfen dann Wunderheiler mit einer Vorliebe für schamanistische Rituale gegen das Böse.
In „Dabbe 5“ beginnt das Unheil kaum merklich in bester Lage, bei Dilek und Ömer, die in einem mehrstöckigen Luxus-Haus nebeneinander vor sich hin leben. Ömer gähnt nur müde, wenn ihm seine Ehefrau von den ersten Geister-Erscheinungen berichtet. Er bleibt der grantelnde Rationalist, der selbst angesichts hirnschleimig-glibbernder Untoter wütend um rationale Erklärungen bemüht ist und seine Frau lieber zum Psychiater als zu einer Geisterheilerin schicken will.
Um dem fortschreitenden Wahnsinn entgegenzutreten, der filmisch durch sich selbst bewegende Gegenstände, dunkle Stimmen aus dem Reich der Dämonen, blutige Gemetzel und allerlei düster-choralartige Soundcollagen inszeniert wird, überreden der Hausfreund Harun und dessen Geliebte Seda die von Geistern befallene Frau, sich an die strenggläubige Belkis zu wenden. Die Muslima scheint das Wissen und die Macht zu haben, sich den bösen Dschinns entgegenzuwerfen.
Geschickt baut Karacadağ Koran-Zitate zu mythischen Rätseln auf, dessen Lösung, so Belkis, zur Gesundung der vom Bösen befallenen jungen Frau führe. Ab dann entwickelt sich der Plot als kolportageartige Kriminalhandlung, nur dass zwischen neureicher Vorortsiedlung und einem abgelegenen anatolischen Dorf keine Mörder, sondern Untote gejagt werden.
Das Ende kommt dann wie bei allen Karacadağschen Horrorfilmen nach einer vermeintlichen Rettung als überraschender Paukenschlag. Denn plötzlich entpuppt sich Belkis als Mutter jenes Babys, das 1979 wie viele andere von der Bevölkerung des „Drei-Schatten-Dorfes“ geopfert wurde, um das zeitgleich geborene, aber todkranke Kind einer reichen Familie am Leben zu erhalten – bei dem es sich um niemand anderes als Dilek handelt, die nun grausamer Rache zum Opfer fällt.
Unter all dem handwerklich soliden, durch seine Islam-Verweise sogar recht originellen Hokuspokus verstecken sich also einige Spitzen gegen gesellschaftliche Ungleichheit und die blutige Rache der Underdogs sowie über den fahrlässig ignoranten Umgangston einer Männerwelt, die Frauen nicht ernst nimmt. Mit seinen antagonistischen Protagonistinnen richtet sich der Film vorrangig an ein weibliches Teenager-Zielpublikum: Denn Dilek und Beklis sehen sich, unabhängig ob Ober- oder Unterschicht, entweder der Hölle des goldenen Käfigs zu Hause oder dem Schicksal der unteren Klasse ausgesetzt. Beide entwickeln sich im Laufe des Films zu Persönlichkeiten, die letztlich zwar an innerer Verzweiflung und Rachedurst scheitern, die Handlung aber zumindest selbst in die Hand nehmen.