Dieser Film hat ein schweres Gewicht zu tragen. Nicht alleine, weil der Titel an Ehrfurcht gebietende, neosakrale Orte denken lässt, die durch eine unterwürfige Huldigung durch die Kamera zu starren, menschenfeindlichen Bombastobjekten zu werden drohen. Sondern auch, weil eine der sechs Episoden vom jüngst verstorbenen Michael Glawogger erdacht und inszeniert wurde und somit ungewollt die Last eines filmischen Vermächtnisses trägt.
Glawogger hat sich entschieden, in der russischen Nationalbibliothek in St. Petersburg zu drehen und der „Verkörperung einer Geistesgesamtheit“ auf den Grund zu gehen. Doch was man dann sieht, ist leider nicht viel mehr als ein langgestrecktes Abfahren von Bücherwänden in 3D zum Originalsound nach Dostojewski. Form und Inhalt, beides für sich viel zu konventionell, vielleicht auch zu abstrakt erdacht, um zu transzendenten Momenten zu gelangen, finden nicht zusammen. Einen schönen Eindruck von der Klaustrophobie eines analogen Wissenshortes vermittelt Glawoggers Beitrag dennoch.
Ins Kino kommen zwei unterschiedliche Fassungen des Films: das Gesamtwerk von etwa zweieinhalb Stunden Länge, aber auch eine in der Mitte gesplittete, in jeweils drei Episoden aufgeteilte Variante. Den Anfang des Sechserblocks macht Wim Wenders, der mit seiner Firma Neue Road Movies auch als Produzent an dem Projekt beteiligt ist. Wenders, der mit „Pina“
(fd 40 307) die Bühne zum dreidimensionalen Leben auf der Leinwand erweckt hat, erkundet nun die Berliner Philharmonie und die Idee ihres Schöpfers Hans Scharoun, der seinerzeit ebendiese Bühne in die Mitte der Konzerthalle setzte, umgeben vom Publikum – eine demokratische Utopie, wie Meret Becker als Voiceover versichert.
Ganz ähnlich soll wohl auch das Konzept dieses filmischen Projekts funktionieren. Wie Wenders verharren seine beteiligten Kollegen nicht bei großen, pompösen Außenansichten, sondern dringen in die Gänge und Hallen, die berühmten und die versteckten Winkel der jeweiligen Kathedrale vor. Die 3D-Technik soll das Ganze plastisch und fühlbar machen. Manchmal kommen Menschen zu Wort, die dort arbeiten, manchmal sollen die Gebäude selbst zu den Zuschauern sprechen. Was bisweilen gar pathetisch gerät: Im Beitrag von Michael Madsen, der mit Wenders und Glawogger das erste Trio des Films bildet, spricht ein dänisches Gefängnis, das angeblich einer der humansten Knaste der Welt und hier Ausdruck eines weiten Kulturbegriffs ist, über sich selbst. Was ziemlich aufgesetzt wirkt; die Umformung des Alltags, der hier einer der Unfreiheit ist, in eine schlüssige Ästhetik will nicht so recht gelingen.
Auf der anderen Seite verhindert der produktionstechnische Aufwand, etwa die sorgfältige Ausleuchtung, allzu große Spontaneität bei den Dreharbeiten in 3D. Die Kamera fließt zumeist schwungvoll durch sorgsam choreographierte Bildräume – eine Bewegung, die genauso kunstvoll wie künstlich erscheint. Margreth Olin hingegen erzählt am konsequentesten aus der Perspektive des Menschlichen. Kaum eine Einstellung zum Osloer Opernhaus ist so konzipiert, dass dieses nicht – manchmal sogar wortwörtlich – als Spiegel seiner Besucher und Tänzer erscheint: ein prachtvoller Glasbau, der sich ganz in den Dienst seiner Aufführungen stellt, zu denen Olin nun eine weitere hinzugefügt hat.
Ist dieses faszinierende Experiment, zu dem außerdem auch Robert Redford und Karim Ainouz beitragen, unterm Strich gescheitert oder gelungen? Das ist vermutlich nicht die richtige Frage. In seiner aufdringlichen, ästhetisierten Zelebrierung von Stein und dem, was Stein bedeuten kann, zwingt der Film jeden Zuschauer in einen eigenen Reflexionsprozess.