Nach dem Skiunfall des gemeinsamen Sohnes machen sich seine seit 15 Jahren geschiedenen Eltern mit dem Auto auf, ihn aus den französischen Alpen nach Brüssel zurückzuholen. Obwohl die alten Gewohnheiten und Ticks der beiden unterschiedlichen Ex-Eheleute alle Umbrüche überdauert haben, macht sich auf der Fahrt fast zärtliche Amüsiertheit breit. Ein eigenwilliges Road Movie, das an der üblichen Konfliktdramaturgie vorbei von einer anhaltenden Liebe erzählt, die weder romantisch noch leidenschaftlich und auch nicht schmerzhaft, sondern schlicht immer noch „da“ ist.
- Ab 14.
Zärtlichkeit (2013)
Liebesfilm | Belgien/Frankreich/Deutschland 2013 | 82 Minuten
Regie: Marion Hänsel
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Filmdaten
- Originaltitel
- LA TENDRESSE
- Produktionsland
- Belgien/Frankreich/Deutschland
- Produktionsjahr
- 2013
- Produktionsfirma
- Asap Films/Man's Films Prod./Neue Pegasos Films/Rhône-Alpes Cinéma/RTBF/Belgacom/ZDF-ARTE
- Regie
- Marion Hänsel
- Buch
- Marion Hänsel
- Kamera
- Jan Vancaillie
- Musik
- René-Marc Bini
- Schnitt
- Michèle Hubinon
- Darsteller
- Maryline Canto (Lisa) · Olivier Gourmet (Frans) · Adrien Jolivet (Jack) · Margaux Chatelier (Alison) · Sergi Lopez (Léo)
- Länge
- 82 Minuten
- Kinostart
- 24.04.2014
- Fsk
- ab 0; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 14.
- Genre
- Liebesfilm | Road Movie
Heimkino
Diskussion
Ein seit 15 Jahren geschiedenes Paar on the road, zusammengepfercht in einem Auto, auf einer neunstündigen Fahrt von Brüssel in die französischen Alpen. Anlass ist ein Skiunfall des gemeinsamen Sohnes, der nun in einen Krankenhaus namens „Klinik der Hoffnung“ liegt und darauf wartet, von den Eltern Lisa und Frans zurücktransportiert zu werden. Viel Zeit ist vergangen, aber die alten Gewohnheiten und Ticks haben die Umbrüche überdauert. Sie hat noch immer keinen Blick für die Spinnweben in ihrer Wohnung und vergisst im Bad das Licht auszuschalten. Er fährt noch immer zu schnell und ist nach wie vor der Ansicht, Frauen gehörten nicht hinters Steuer. Sie raucht noch immer, er ist inzwischen auf stinkende Zigarillos umgestiegen. Fast jeder Film würde aus dieser Figurenkonstellation Konflikte aufbauen oder diesen zumindest komödiantische Pointen abringen, die sich wiederum zu größeren Verwicklungen oder Krisen entzünden. Nicht so bei Marion Hänsels „Zärtlichkeit“. Vielleicht mögen Lisa und Frans die Eigenheiten des anderen in der gemeinsamen Vergangenheit, von der der Film nur ganz am Rande erzählt, unerträglich oder gar schmerzhaft empfunden haben. Jetzt aber haben Ironie, eine fast zärtliche Amüsiertheit und ja, Liebe, den Frust und die Gereiztheit abgelöst.
Es ist aber nicht so, dass Marion Hänsel sich die dramaturgische Zuspitzung für etwas anderes aufhebe, etwa für die Beziehung zu Jack, dem Sohn, für Generationskonflikte oder eine diffizile Unfallgeschichte. „Zärtlichkeit“ ist von Anfang bis Ende ein so konsequent spannungsvermeidender Film wie man ihn gerade unter der Genre-Prämisse „Road Movie“ sicherlich nie vermuten würde. Auf der Rückfahrt, die mit zwei Autos angetreten wird, nimmt Lisa einen Anhalter mit, einen Seemann. Es ist eine kurze Begegnung, die mit einem schönen Kompliment endet, mehr nicht. Auch der Umstand, dass das Ex-Ehepaar sich ein gemeinsames Zimmer teilen soll, läuft ins Leere. Lisa flüchtet vor dem Geschnarche von Frans in eine Nacht, in der sie allerdings zum ersten Mal ihre Liebe zu den Bergen entdeckt. Hänsels Erzählhaltung ist bei alledem keine der Verweigerung: es sind nur einfach eher die kleinen Veränderungen und Perspektivwechsel, die ihr Interesse erwecken, nicht die großen Dramen – die gab es bestimmt, aber sie liegen außerhalb der Erzählung, in einer anderen Zeit. Auch zum Schauplatz Flaine in den französischen Alpen hat Hänsel ein ausgesprochen unaufgeregtes Verhältnis. In den 1960er-Jahren hat der Bauhaus-Architekt Marcel Breuer die in drei Ortsteile unterteilte moderne Höhenstation komplett aus Sichtbeton entworfen – ein Setting, das geradezu dazu einlädt, sich an seinen Schauwerten zu bedienen. Aber auch hier weicht der Film nicht von seinem Konzept zurückhaltender, schlichter Einstellungen ab – eine kurze Szene, in der Lisa neben einer der imposanten Dubuffet-Skulpturen herumrutscht, stellt auch schon die größte visuelle Attraktion dar.
In der Flut von auf „Relevanz“ spekulierender Themenfilme nimmt sich Hänsels frappierend einfacher und nahezu tiefenentspannt erzählter Film schon fast exotisch aus. Dabei wird im Kino viel zu selten von einer Liebe erzählt, die weder leidenschaftlich, noch romantisch oder schmerzhaft, sondern ganz einfach immer noch „da“ ist“.
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