Sieht man einmal von ihrer be-deutsamen Buchreihe „Die Kinder von Nr. 67“ ab, dürfte „Die schwarzen Brüder“ der populärste Kinderabenteuerroman der Schriftstellerin Lisa Tezner (1894-1963) sein. Sie schrieb ihn 1940/41 mit ihrem Mann Kurt Kläber (Kurt Held) im Schweizer Exil, nachdem das Paar bereits 1933 aus dem nationalsozialistischen Deutschland geflohen war. „Die schwarzen Brüder“ erinnert im Kern an Erich Kästners „Emil und die Detektive“ und ist ebenfalls eine Geschichte um Freundschaft, Mut und kindliche Solidarität im Angesicht von Ungerechtigkeit und Unrecht. Tezner wählt freilich einen gänzlich anderen historischen Hintergrund: Ihr Emil Tischbein ist der zwölfjährige Bauernjunge Giorgio aus der Tessiner Bergwelt, der im 19. Jahrhundert wegen der großen wirtschaftlichen Not seiner Familie vom Vater an den skrupellosen „Kinderfänger“ Luini verkauft wird, der Giorgio mit weiteren Jungen nach Mailand verschleppt – wo er als ausgebeuteter und rechtelosen Schornsteinfegerjunge in die engen Kamine der Stadthäuser klettern und unter schlimmsten gesundheitlichen Bedingungen eine gefährliche Arbeit verrichten muss.
In Diensten des gutmütigen Meisters Rossi bekommt es Giorgio mit dessen missgünstigem Sohn zu tun, lernt aber auch dessen kränkelnde Tochter Angeletta kennen; vor allem aber trifft er seinen Freund Alfredo wieder, mit dem er dasselbe Schicksal teilt, und wird Mitglieder der Bande der „schwarzen Brüder“, die für die Kaminfegerjungen eine Ersatzfamilie ist: Hier finden sie die sehnlich gesuchte Nähe und Geborgenheit, aber auch den Mut, sich gegen die Jungen der Straßenbande „Wölfe“ zu wehren, und schließlich sogar die Kraft, gegen ihr tristes, von Hunger, Krankheit und Tod gezeichnetes Leben aufzubegehren und einen verwegenen Fluchtplan zu schmieden.
Diese Grundzüge der weit ausschwingenden Romanhandlung behält die Verfilmung bei, um sie als „süffige“, weitgehend spannende Abenteuergeschichte zu erzählen.
Für einen Jugendstoff ist die Ausstattung bemerkenswert großzügig geraten. Kostüme und Kulissen verbinden sich ansprechend mit opulenten visuellen Tableaus, die ebenso sinnlich wie erhellend die Gegensätze der Epoche vorführen: hier die nahezu paradiesische Natur der Tessiner Berge, dort der „Moloch“ der brodelnden Stadt Mailand mit ihren sozialen Gegensätzen, ihrer Ungerechtigkeit und Ausbeutung, was sich in den eindrücklichsten Momenten als Zeit- und Sittengemälde à la Charles Dickens präsentiert. Dass angesichts des ganzen Elends, des Hungers und des Krankwerdens bis zum Tod bei den Kaminfegerjungen der Keim der Hoffnung nie ganz erlischt, versinnbildlicht der Film aufs Schönste mit den Panorama-Blicken über die Stadt, quasi als „Lohn“ dafür, dass man durch den engen Schlund der heißen, rußigen Essen gekrochen ist. Die mitunter düstere „Abenteuerlichkeit“ des Films steigert sich noch durch den überzeugenden Auftritt Moritz Bleibtreus als charismatischer Bösewicht Luini, dessen Schicksal das ergreifende Happy End noch heller erstrahlen lässt: Zurückgekehrt in die geliebte Bergwelt, lässt eine zart aufkeimende Liebe alles Leid und alle Not schnell vergessen. All das macht den Film auch (und gerade) für junge Zuschauer eingängig und unterhaltsam – und entschädigt für manchen doch arg papieren aufgesagten Dialog, der die Fabel mitunter nah an den Rand eines plakativ-pathetischen Pamphlets drängt, bevor deren emotionaler Kern am Ende dann doch wieder triumphiert.