Deine Schönheit ist nichts wert...

Drama | Österreich 2012 | 85 Minuten

Regie: Hüseyin Tabak

Ein zwölfjähriger Junge reagiert auf den prekären Status seiner kurdisch-türkischen Familie in Wien mit Rückzug, Schweigen und Tagträumereien, die auch einer Klassenkameradin gelten. Unterstützt von einem Nachbarn, gelingt es ihm, seine Schüchternheit zu überwinden und sie anzusprechen. Ein berührendes, bestürzendes Drama, ruhig und unaufgeregt inszeniert und bis in die Nebenrollen hervorragend besetzt. Umstandslos wechselt der Film zwischen tristem Realismus und poetisch-hellen Visionen und handelt gleichermaßen von den Abgründen westlicher Asylpolitik und vom unspektakulären Alltag des Heranwachsenden. Es zeugt vom großen Mut der Inszenierung, die Geschichte ohne alle Beschönigung zu erzählen. (Teils O.m.d.U.) - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
DEINE SCHÖNHEIT IST NICHTS WERT...
Produktionsland
Österreich
Produktionsjahr
2012
Produktionsfirma
Dor Film/Marangozfilm/Filmakademie Wien
Regie
Hüseyin Tabak
Buch
Hüseyin Tabak
Kamera
Lukas Gnaiger
Musik
Judit Varga
Schnitt
Christoph Loidl
Darsteller
Abdulkadir Tuncer (Veysel) · Nazmi Kirik (Vater) · Lale Yavas (Mutter) · Orhan Yildirim (Nachbar) · Yüsa Durak (Bruder)
Länge
85 Minuten
Kinostart
03.04.2014
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Drama
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Diskussion
Was für ein trauriger, beklemmender, aber auch berührender Film. Das Label „Kinderfilm“ scheint unpassend, auch wenn die Hauptfigur zwölf Jahre alt und der Film aus ihrer Perspektive erzählt ist. Veysel ist ein türkischer Kurde und lebt mit seiner Familie in Wien. Wobei es eher ein Überleben ist: Der türkisch-kurdische Konflikt wütet auch hier jeden Tag, mitten in Veysels Familie. Veysels großer Bruder Mazlum trägt es seinem kurdischen Vater immer noch nach, dass der einst die Familie verließ, um im Untergrund zu kämpfen. Die Mutter, eine Türkin, ist niedergedrückt von der Last des Alltags in der fremden Umgebung, von den ständigen Streitereien zwischen Mann und Sohn, von Mazlums tagelangem Verschwinden, seinen kleinkriminellen Aktivitäten, die schließlich in seiner Verhaftung münden. Dazu kommt die Angst vor der Abschiebung, der unsichere rechtliche Status der Familie in Österreich. Als politischer Flüchtling wird der Vater nicht anerkannt, obwohl die Familie in der Türkei nach seiner Gefängnisstrafe bedroht und gedemütigt wurde. Veysel reagiert mit Rückzug, Schweigen, Tagträumereien. Darin spielt seine Klassenkameradin Ana, die im selben Häuserblock wohnt, die zentrale Rolle. Für sie übt Veysel mühsam das Liebesgedicht „Deine Schönheit ist nichts wert“ des türkischen Dichters Asik; sein Nachbar Cem hat ins Deutsche übersetzt. Cem, der sich selbst als „Taugenichts“ bezeichnet, nimmt für Veysel eine immer wichtigere Rolle ein, er wird für den vernachlässigten Jungen zum Vater- und Bruderersatz. Schließlich gelingt es Veysel, seine Schüchternheit zu überwinden und Ana anzusprechen. Einen Tag und die halbe Nacht lassen sich die beiden mit der Tram durch Wien treiben, ein einziges Mal völlig losgelöst von den familiären Problemen. Doch am nächsten Morgen folgt ein hartes Erwachen. Ein Film ohne Happy End, aber mit einem kleinen Hoffnungsschimmer: Dass die Gefängnisstrafe Mazlum versöhnlicher macht, dass Veysel in Cem einen wirklichen Freund gefunden hat, der ihm hilft, die sprachlichen wie auch die emotionalen Barrieren zu überwinden. Die Inszenierung dieser Abschlussarbeit an der Filmakademie Wien setzt auf einen ruhigen, unaufgeregten Ton, der die Abgründe westlicher Asylpolitik umso deutlicher zutage treten lässt. Dennoch ist „Deine Schönheit ist nichts wert“ primär kein politischer Film; Regisseur Hüseyin Tabak ist es mindestens ebenso wichtig, den Alltag des schüchternen Heranwachsenden zu zeigen – der freilich vom Flüchtlingsstatus geprägt ist, aber eben auch von ganz „normalen“ Entwicklungen wie der ersten Verliebtheit. Abdulkadir Tuncer als Veysel ist eine Entdeckung. Der junge, zurückhaltend agierende Schauspieler trägt den Film auf beeindruckende Weise. Ohnehin überzeugt besonders der Cast; Orhan Yildirim als Cem sei stellvertretend für die bis in kleine Nebenrollen gelungene Besetzung genannt. Zu bemängeln ist lediglich eine gewisse Nähe zum Pathos, das der Film mit seinem betonten Gegensatz aus tristem Realismus und Veysels poetisch-hellen Tagträumen gelegentlich streift. Etwas mehr Leichtigkeit hätte dem Drama sicher gut getan, eine Prise mehr „Cem“, der den Film mit seiner Hemdsärmeligkeit und positiven Lebenseinstellung erdet. Andererseits zeugt es von Mut (und Überzeugungskraft), die Story ohne Beschönigung zu erzählen. Dazu gehört auch die Entscheidung, den Film fast vollständig auf türkisch zu drehen – anders hätte diese Geschichte über sprachliche, kulturelle und politische Identität auch nicht funktioniert. Konsequenterweise sieht man auch ein Wien jenseits der bekannten (Touristen-)Bilder. Der filmische Raum wird vor allem von der Wohnanlage mit ihren engen, düsteren Zimmern beherrscht, die ein Gefühl des Eingesperrtseins artikulieren. Einen Gegenpol dazu ist Cems Wohnung, die lichter ist, offener; sie hat sogar einen Balkon. Für Veysel – und mit ihm für den Zuschauer – ein Ort der Hoffnung.
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