Ein Mann verliebt sich in seinen Computer, genauer: in sein dezentrales Betriebssystem. Was sich als Plotidee in einem Satz zusammenfassen lässt, das ist eine Provokation, ein Stich ins Wespennest, ein Anlass für so viele Fragen, die unser Menschen- und Persönlichkeitsbild betreffen. Wie ist das wohl, wenn meine Partnerin unsterblich ist? Wie wäre es zu ertragen, mit jemandem zusammenzuleben, der so viel mehr über mich weiß, als es eine menschliche Gefährtin je könnte? Was ist das für eine Partnerschaft, wenn ich den anderen ein- und ausschalten kann? Wie funktioniert das mit dem Sex, und wie kann eine Maschine überhaupt Gefühle empfinden?
Spike Jonze, Regisseur und Drehbuchautor in Personalunion, interessiert all dies nur am Rande. Mit viel Empathie schildert er dagegen die anfängliche Traurigkeit von Theodore, der sich gerade durch die letzten bürokratischen Wehen seiner Scheidung kämpft. Mit hängendem Kopf trottet Joaquin Phoenix als Theodore einsam durch ein Los Angeles der nahen Zukunft, das gewaltig in die Höhe gewachsen ist und sich in mancher Einstellung etwas zu offensichtlich an Shanghai orientiert. Unten zwischen den Glastürmen sprechen die Menschen scheinbar ins Leere, während sie mit ihren mobilen Geräten kommunizieren und der melancholisch tröpfelnde Score der kanadischen Indie-Band Arcade Fire eine Zukunft entschleunigt, die wir uns so oft als irrsinnig rasant vorstellen. Jonze beschreibt eben keine eiskalte Welt, sondern eher eine, durch deren Ritzen allmählich die Zugluft einzuziehen beginnt. Vieles ist hier schlank, Weniges ist wuchtig und genauso Weniges ist so richtig kuschelig.
Gute Zeiten anscheinend für Leute mit einem Job wie Theodore. Er schreibt als Ghostwriter Briefe, meist Liebesbriefe, im Auftrag von anderen für andere, und er beweist großes Geschick und große Sensibilität bei seiner Arbeit. Abends, wenn er wieder mal ein Treffen mit seiner Nachbarin und platonischen Freundin Amy abgesagt hat, kämpft er sich in einem Videospiel, das holographisch ins Wohnzimmer projiziert ist, einen Hang hinauf, wieder und wieder.
Das Konzept, mit dem Jonze nun Theodores folgende Annäherung an das Betriebssystem Samantha, im Original gesprochen von Scarlett Johansson, beschreibt, setzt nicht auf Mitleid. Jonze hatte die sympathische Idee, eine unmögliche Liebe als mögliche zu beschreiben und eine außergewöhnliche Beziehung als eine einigermaßen gewöhnliche. Deine Freundin ist ein Betriebssystem? Kein großes Ding, weder für Amy noch für Theodores Kumpel auf der Arbeit. Und Samantha ist ja auch alles andere als ein monotoner Wunscherfüllungsroboter, sie ist humorvoll, spontan, schlagfertig, lernt in Windeseile dazu und liebt Theodore bald ebenso wie er sie.
Ihre erste große Krise erleben die beiden, als sie fürchtet, ihm als körperlose Entität nicht genug zu sein – aber auch dies ist wenig mehr als ein notwendiger „plot point“ in der klassischen Dramaturgie der Romanze, zu der eben auch die vorübergehende Entzweiung gehört. Die spezifischen Eigenarten des Digitalen spielen erst sehr, sehr spät eine Rolle in der Handlung und sorgen dann doch noch für ein bewegendes, ambitioniertes Finale.
Bis dahin jedoch entlarvt Spike Jonze unfreiwillig auch die hohe Bedeutung, die die Bilder des begehrten Menschen für die emotionale Bindungskraft einer Liebesgeschichte im Kino haben. Er hat eine mit leisem Humor durchsetzte Gefühlsodyssee gedreht über einen Mann, der sich in eine Stimme verliebt. Doch dabei hat er sich weder auf die sinnliche Verführungskraft seines Mediums so richtig eingelassen noch auf die Sprengkraft seiner Idee. So erscheint diese Liebe, die eine so normale in dieser zukünftigen Welt sein soll, in eben dieser Normalität schon wieder unspektakulär.