Nelson Mandela starb am 5. Dezember 2013. Seitdem steht Südafrika unter Schock, denn niemand ist in der Lage, seine Rolle auszufüllen. Friedensnobelpreisträger, Präsident, Nationalheld: In seinem Heimatland wird Mandela fast gottähnlich verehrt. Doch auch in der übrigen Welt gilt er als Ikone für Frieden, Freiheit und Gleichberechtigung, in einer Reihe mit Mahatma Gandhi und Martin Luther.
Mandela schuf eine mächtige politische Partei, kämpfte gegen Unterdrückung und Apartheid und einte Südafrika. „Südafrika war Mandela, Mandela war Südafrika. Hinter seiner Person hatte sich das Land mit seinen elf Sprachen und unzähligen Volksgruppen gesammelt. Seine Werte gaben die Richtung vor in Politik und Gesellschaft“, hieß es in einem Nachruf. Nun kommt – ein unglückliches, zufälliges Zusammentreffen – eine filmische Biografie in die Kinos, die noch vor Mandelas Tod entstand. Von einem filmischen Vermächtnis kann deshalb keine Rede sein. Doch man muss zugestehen, dass dem britischen Regisseur Justin Chadwick ein privat wie politisch stimmiges Gesamtbild der Persönlichkeit Mandelas gelingt.
Der Film springt nach einem Prolog, der Mandelas Kindheit und sein Heranwachsen in der ländlichen Region der Transkei kurz anreißt, in die 1940er-Jahre nach Johannesburg. Dort verteidigt Mandela als wortgewandter und fintenreicher Rechtsanwalt schwarze Mitbürger erfolgreich vor Gericht. In einer exemplarischen Szene muss er aber auch die Erfahrung machen, dass weiße Zeugen sich weigern, auf seine Fragen zu antworten, und verärgert den Gerichtssaal verlassen: „Geh zur Seite, Kaffer!“ In wenigen, beklemmenden Momenten macht der Film deutlich, wie wenig schwarze Südafrikaner auf dem Höhepunkt der Apartheid gelten, wie sehr ihnen ihr Menschsein abgesprochen wird. 1944 tritt Mandela darum dem „African National Congress“ (ANC) bei. Fortan sieht man ihn bei Demonstrationen und Aufmärschen, wo er engagierte und rhetorisch geschickte Reden hält. Doch als weiße Polizisten 1960 bei einem friedlichen Protest in Sharpeville wahllos unbewaffnete Demonstranten niederschießen, wendet Mandela sich der Gewalt zu. Er geht in den Untergrund, baut Bomben, plant Attentate. Doch 1963 wird Mandela verhaftet und im Jahr darauf zu lebenslanger Haft auf der Gefängnisinsel Robben Island verurteilt.
In einem parallelen Handlungsstrang wird auch Mandelas zweite Ehefrau Winnie immer häufiger von der Polizei verhaftet und gefoltert. Sie setzt den Kampf ihres Mannes mit radikalen Mitteln fort, was die Lage in Südafrika verschärft. Bis Mandela im Februar 1990 – nach 27 Jahren – aus dem Gefängnis entlassen wird.
Die Inszenierung spannt den Handlungsbogen über einen Zeitraum von mehr als 50 Jahren und presst eine große Fülle an Erzählstoff in zweieinhalb Kinostunden. Das verleiht dem Film besonders zu Beginn einen schnellen, wenn nicht sogar hastigen Rhythmus. Einzelne Szenen müssen reichen, um den Volkshelden in all seinen Facetten zu umreißen; für Identifikation oder eine emotionale Annäherung ist kaum Zeit. Vom Draufgänger zum Pazifisten, vom Frauenhelden zum Familienvater, vom Boxer zum Staatsmann: Chadwick will den „ganzen“ Mandela nahebringen, während Filme wie Bille Augusts „Goodbye Bafana“ (über einen Gefängniswärter Mandelas) oder Clint Eastwoods „Invictus“ (über den südafrikanischen Gewinn der Rugby-Weltmeisterschaft 1995) nur Einzelaspekte aus Mandelas Lebens herausgegriffen haben.
Vielleicht muss man die erste Stunde des Films aber als Vorbereitung, als eine Art Einleitung dafür sehen, worum es Chadwick geht. Mit Beginn der Haftstrafe lenkt er den Fokus auf die charakterliche Veränderung Mandelas, erst in der Annäherung mit den weißen Wärtern, später dann im Gespräch mit Politikern, denen er eine bedingungslose Begnadigung verweigert, und Präsidenten, mit denen er – noch im Gefängnis – Gespräche über die Zukunft des Landes führt. Sein Darsteller Idris Elba bringt diese Wandlung überzeugend auf die Leinwand. Er brilliert als charismatischer Mann mit Stärken und Schwächen, Zweifel und Hoffnungen, Energie und Nachdenklichkeit. Es ist bewundernswert, wie Elba die Pole dieser schillernden Persönlichkeit auslotet, mit Hilfe des Maskenbildners altert und auch darin stets glaubwürdig bleibt. Gemeinsam mit einer detailfreudigen Ausstattung, die sowohl ein Gefühl für die jeweilige Zeit (immer von den 1940er- bis zu den 1990er-Jahren) als auch die unterschiedlichen Orte (Townships, Großstadt, Gefängnis) gibt, entsteht eine aufwändig inszenierte Filmbiografie, die Mandela angemessen würdigt und in einer Mischung aus Actionfilm, Polit-Drama und Liebesgeschichte zugleich als großes Unterhaltungskino funktioniert.