Scialla! Eine Geschichte aus Rom

Komödie | Italien 2011 | 101 Minuten

Regie: Francesco Bruni

Ein einst inspirierender Schriftsteller hat sich aus Frust über den Kulturverfall Italiens ins innere Exil zurückgezogen. Als ihm eine frühere Geliebte seinen ihm unbekannten 15-jährigen Sohn schickt, der von einer Karriere als Drogendealer träumt, muss er sich der Gegenwart stellen. Virtuos gespiegelte Vater-Sohn-Geschichte, die italienische Verhaltensweisen karikiert und Verkrustungen durch heitere Satire aufbricht. Eine Änderung der Verhältnisse erträumt der Film vor allem von der Lektüre der antiken Klassiker und ihrer „Pietas“, dem Respekt vor den anderen. (O.m.d.U.) - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
SCIALLA! (STAI SERENO)
Produktionsland
Italien
Produktionsjahr
2011
Produktionsfirma
Pupkin Prod./IBC Movie/Rai Cinema
Regie
Francesco Bruni
Buch
Francesco Bruni · Gianbattista Avellino
Kamera
Arnaldo Catinari
Musik
Amir Issaa · The Ceasars
Schnitt
Marco Spoletini
Darsteller
Fabrizio Bentivoglio (Prof. Bruno Beltrame) · Filippo Scicchitano (Luca) · Barbora Bobulova (Tina) · Vinicio Marchioni (Poet) · Giuseppe Guarino (Carmelo)
Länge
101 Minuten
Kinostart
24.04.2014
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Komödie
Externe Links
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Diskussion
In ihrem semidokumentarischen Film „Italy, Love it or leave it“ (fd 41 295) widmen sich Gustav Hofer und Luca Ragazzi der Frage, ob man angesichts des alltäglichen Chaos’ in Italien nicht besser nach Deutschland auswandern sollte. Auf ihrer sechsmonatigen Rundreise durch Italien fanden die beiden dann aber doch ausreichend Gründe, um zu bleiben. Gleichwohl kann man sich aber auch für die Verweigerung entscheiden, wie es Bruno Beltrame in dem Spielfilm „Scialla!“ von Francesco Bruni vormacht. Denn die permanenten Skandale und der Habitus des permanenten Sichbereicherns haben viele Bürger abgestumpft. Der Lehrer Beltrame hat sich aus dem öffentlichen Leben deshalb in die innere Emigration zurückgezogen. Er hat es satt, „bella figura“ zu machen. Beltrame präsentiert sich im Schlabberlook, mit abgewetzten Birkenstockschuhen an den Füßen, die Zigarette im Mundwinkel; „The Big Lebowski“ (fd 33 061) lässt grüßen. Lustlos erteilt er Nachhilfeunterricht. Früher war er ein anerkannter Schriftsteller, der sich mit Autoren wie Pier Paolo Pasolini, Alberto Moravia und Cesare Pavese auseinandersetzte. Jetzt schreibt er die Memoiren der Prominenten. Gerade arbeitet er an der Biografie eines ehemaligen Porno-Stars, die es zu Geld und Ansehen gebracht hat und mittlerweile eine erfolgreiche Produzentin geworden ist. Doch Brunos geruhsames Leben gerät durcheinander, als sich ein vor 15 Jahren mit einer jungen Verehrerin gezeugter Sohn meldet, der die nächsten Monate bei ihm wohnen will. Luca gleicht dem Vater auf seine eigene Weise. Zwar glänzt er mit einem wachen und brillanten Geist, aber in der Schule drückt er sich lieber vor jeglicher Anstrengung; seine Versetzung steht auf der Kippe. Er träumt davon, im Reichtum zu schwimmen. Als Vorbild hat er sich die italienische Gangsterszene auserkoren. Die zeichnet sich in seinen Augen wenigstens noch durch Ehrgefühl, durch Mut und festen Willen aus. Doch Beltrame durchkreuzt den Plan seines Sohnes, ein großer Dealer zu werden: Er beginnt, mit ihm die antike Literatur zu studieren. Francesco Bruni führt die Geschichte von Vater und Sohn virtuos parallel und immer wieder zusammen. Er versteht es, in den beiden Figuren, den Repräsentanten einer frustrierten Schicht hochgebildeter Akademiker sowie dem vernachlässigten Nachwuchs, der sich zu „Höherem“ berufen fühlt, meisterhaft zu verdichten, wie schwierig für italienische Jugendliche ist, nachahmenswerte Vorbilder zu finden. Flüchtet sich eine Figur wie die des Journalisten Jep Gambardella in „La grande bellezza“ (fd 41 815) in geistreichen Zynismus, gefällt sich Bruno eher in der Rolle des sozialen Opfers. Im Duktus von Allen Ginsberg klagt er: „Die besten Köpfe meiner Generation hat der Lehrerberuf fertiggemacht.“ Dennoch zielt jede Einmischung in die Gesellschaft in den Augen von Intellektuellen wie Bruno ins Leere, weil Kultur nur noch ein Statussymbol ist, für Aufsteiger und Verbrecher. Der Filmemacher aber bricht den Schutzpanzer seiner Figuren, ihren Habitus, geschickt auf. Er wählt dafür die Form einer liebenswürdig-heiteren Satire, die vom Spiel der drei Schauspieler Fabrizio Bentivoglio, Filippo Scicchitano und Barbora Bobulova bravourös getragen wird. In wunderbar zugespitzten Dialogen desavouieren sich die Charaktere entweder selbst oder ihr Gegenüber. Hohes und Niederes liegen in ihnen lächerlich dicht beisammen. Im Falle des jugendlichen Protagonisten unterläuft der Film zugleich die Konventionen des Gangsterfilm-Genres. Als der als cool inszenierte „Streetfighter“ Luca, unterlegt mit einem eingängigen Hip-Hop-Stück, bei seinem „großen Ding“ erwischt wird, sitzt er ängstlich zusammengekauert wie ein kleiner Junge auf einer Kinderrutsche und wartet auf sein jähes Ende. Das nimmt dann wiederum einen überraschend anderen Verlauf. Als Medizin für die italienische Malaise empfiehlt der Film, die Klassiker zu studieren: etwa die „Aeneis“ von Vergil, das Epos, das eine Art Vorgeschichte und Gründungsmythos des Römischen Reichs lieferte. Der Held Aeneas, der bei der Flucht aus Troja seinen Vater auf seinen Rücken nahm, soll Vorbild für eine Erneuerung aus dem Geist der „Pietas“, des „Respekts für die anderen“, werden. Nur so ist man für ein hartes Alltagsgeschäft gerüstet.
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