Only Lovers Left Alive

- | Deutschland/Großbritannien/Frankreich/Zypern 2013 | 123 Minuten

Regie: Jim Jarmusch

Eine Vampirin verlässt ihr Quartier in Tanger, um ihrem lebensmüden Gefährten in Detroit neuen Geschmack am Dasein zu vermitteln. Die alterslosen Liebenden zehren nicht nur von Blut, sondern ebenso von Kunst, (Pop-)Kultur und Wissenschaft. Doch dann sorgt eine junge Vampirin für Unruhe. "Vampirfilm" von Jim Jarmusch, der kongenial den Lebensrhythmus und den kulturellen Horizont der uralten Feingeister imaginiert. In der Spannung zwischen Melancholie und Lakonie, Statik und Bewegung entfaltet sich intensiv ein Hohelied der Gegensätze, deren Anziehungskräfte alles lebendig halten. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
ONLY LOVERS LEFT ALIVE
Produktionsland
Deutschland/Großbritannien/Frankreich/Zypern
Produktionsjahr
2013
Produktionsfirma
Recorded Picture Company/Pandora Filmprod./Snow Wolf Prod./ARD Degeto/Lago Film/Neue Road Movies
Regie
Jim Jarmusch
Buch
Jim Jarmusch
Kamera
Yorick Le Saux
Musik
Jozef van Wissem
Schnitt
Affonso Gonçalves
Darsteller
Tom Hiddleston (Adam) · Tilda Swinton (Eve) · Mia Wasikowska (Ava) · John Hurt (Marlowe) · Anton Yelchin (Ian)
Länge
123 Minuten
Kinostart
25.12.2013
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Pandora
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Pandora
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Diskussion
Sie trägt weiß von den Schuhen bis in die Haarspitzen; er schwarz. Sie streift durch die Gassen in Tanger; er verbarrikadiert sich in einem alten Haus in Detroit. Sie liebt es, am Leben zu sein; er besorgt sich die Munition für den Selbstmord. Eve und Adam sind Vampire, und sie sind Yin und Yang: die perfekten Liebenden. Wie alt sie sind, erfährt man nicht. Äußerungen lassen darauf schließen, dass Eve bereits das Mittelalter miterlebt hat; Adam ist jünger, aber alt genug, um in den 1860er-Jahren Eve bereits zum dritten Mal geheiratet zu haben und aus persönlicher Erfahrung zu wissen, dass Lord Byron ein „selbstgerechtes Ekel“ war. Zu Beginn des Films trennt beide der halbe Erdball, doch als Eve bei einem Telefonat merkt, wie lebensmüde ihr Gefährte ist, bucht sie ein Ticket für einen Interkontinentalflug und steht bald darauf vor der Tür von Adams Anwesen. Die durch Gespräche, nächtliche Fahrten durch Detroit und in-, über- und umeinander geschlungene Körper zelebrierte Zweisamkeit wird allerdings empfindlich gestört, als Eves jüngere Schwester sich bei ihnen einnistet. Ava ist ebenso erlebnis- wie bluthungrig, weshalb es mit der Ruhe und Diskretion, die Adam so schätzt, bald vorbei ist. Vampire müssen Menschenblut trinken; das ist auch bei Jarmuschs Kreaturen nicht anders. Allerdings hat sich ihr Appetit sublimiert. Sie schlachten nicht selbst, sondern kaufen sich ihr Essen in Flaschen; genossen wird es in zierlichen Likörgläsern. Das hat nichts mit moralischen Skrupeln oder Menschenliebe zu tun – Adam bezeichnet die Sterblichen verächtlich als „Zombies“ –; vielmehr geht es um Hygiene und Sicherheit: In den Straßen nach Frischblut zu jagen, birgt das Risiko, an „unreinen“ Stoff zu kommen. Während die Vampire ihre Lust an der Nahrungsaufnahme stark kontrollieren, lassen sie sich in anderer Hinsicht freien Lauf: Eves und Adams Gier gilt der Kultur. Statt Blut saugt Eve mit Fingern und Augen die Schrift aus Büchern in allen Sprachen auf; und Adam macht sich zärtlich über die Hälse und die Klangkörper von Vintage-Gitarren her. Die Wohnung des Einsiedler-Rockstar-Vampirs ist vollgestopft mit Instrumenten, Vinyl-Platten und derangiertem Soundequipment. Wenn beide mit Menschen zu tun haben, geben sie sich literarische Tarnnamen wie Dr. Faustus, Stephen Dädalus oder Daisy Buchanan. So inbrünstig beide die Erzeugnisse von Kunst, Popkultur und Wissenschaft lieben, die die Menschheit – und die Vampire (z.B. Eves Freund Christopher Marlowe) – im Lauf der Jahrhunderte hervorgebracht haben, so schwer leidet Adam an allem, was der kulturellen Blüte gefährlich wird: an Kriegen und Gewalt und an dem Niedergang, den er in der ehemaligen Auto-Metropole Detroit direkt vor der Haustür hat. Mit Vampir-Romanzen à la „Twilight“ (fd 39 630) hat dieser Film so viel zu tun wie „Ghost Dog“ (fd 34 047) mit Auftragskiller-Filmen und „Dead Man“ (fd 31 716) mit dem klassischen Western. Einmal mehr ist Jarmuschs neues Werk nicht daran interessiert, einen Plot voranzutreiben, sondern lässt sich entspannt von Szene zu Szene, von Musik zu Musik, von Gespräch zu Gespräch treiben. Im Gegensatz zu den Figuren seinen früherer Filme scheinen die Protagonisten hier aber zunächst wenig Interesse daran zu haben, wegzugehen, zu driften oder zu suchen; das Sammelsurium, das sie besitzen, lässt sich durchaus als Ballast verstehen. Die Bewegung der Kamera, die zu Beginn das Drehen eines Plattentellers aufgreift und aus der Vogelperspektive über den ruhenden Figuren kreist, deutet ein In-sich-geschlossen-Sein an, das Jarmusch-Figuren bisher wesensfremd war. Allerdings täuscht dieser erste Eindruck, denn es werden Fluchtlinien sichtbar, die aus dem Kreis hinausstreben, und Kollisionen, die die Figuren aus ihrer Umlaufbahn schubsen. Nur dauert das diesmal besonders lang, denn Jarmusch gelingt es ganz wunderbar, in den somnambulen Schwebezustand der vampirischen Existenzen einzutauchen, die alterslos und damit gänzlich ohne Zeitdruck sind. Die großzügig verteilten (pop-)kulturgeschichtlichen Huldigungen – an das Haus von Jack White, die Gitarre von Eddie Cochran, ein Foto Kafkas – mögen manchen abschrecken; ein „Insider-Witz“ oder ein eitles Name-Dropping sind sie aber schon deshalb nicht, weil es Jarmusch wie den Figuren viel zu ernst ist mit ihrer Verehrung. Außerdem ist „Only Lovers Left Alive“ alles andere als trocken-verkopftes Verweiskino: es gibt einen wunderbaren Soundtrack (von den hypnotischen Gitarrenakkorden von Jozef van Wissem bis zur herzzerreißenden Performance der Sängerin Yasmine Hamdan), die grazile Körperlichkeit und das nuancierte Spiel von Tilda Swinton und Tom Hiddleston sowie die atmosphärische Präsenz der Orte und Dinge. Die Wahl von Detroit sowie Adams Verachtung für die menschliche „Banalität des Bösen“, die Vergeudung von Ressourcen und die Zerstörung der Lebensräume lassen sich durchaus gesellschaftskritisch verstehen. Andererseits wird Adams Haltung gegenüber den „Zombies“ durchaus (selbst-)ironisch gezeichnet; die Sensibilität und der gepflegte Weltschmerz des Feingeistes schlagen verblüffend schnell in derben Pragmatismus um, wenn es um die eigene Haut geht und eine Leiche spurlos entsorgt werden muss oder das Flaschenblut knapp wird. Eine Ambivalenz, die bezeichnend ist für diesen dialektischen Film mit seinem bipolaren Liebespaar und dem Gegeneinander von lakonischem Abgesang und respektvoller Liebeserklärung, von Komik und Melancholie. Hell und Dunkel, Mann und Frau, Statik und Bewegung, Kreise und Linien: Jarmuschs Vampirfilm liebt die Gegensätze. Denn sie ziehen sich an. Und diese Anziehung ist es, die alles am Leben hält: „Only Lovers Left Alive“.

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